Full text: [Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband])

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die Interessen der Krone und die des Volkes als verschieden zu betrachten, 
erscheint ihm so verderblich, als es nur immer'die „abscheuliche Junker- 
aristokratie" in Polen sein mochte. „Der Fürst," sagt er, „ist für die 
Gesellschaft, was der Kopf für den Körper ist: er muß sehen, denken, 
handeln für die ganze Gemeinschaft, um ihr alle Vorteile, deren sie 
fähig ist, zu verschaffen. Will man, daß die Monarchie den Sieg behalte 
über die Republik, so muß der Monarch thätig und unbescholten sein 
und alle seine Kräfte zusammennehmen, um seinen Pflichten zu genügen." 
Die Monarchie ist ihm eine lebendige und nnermüdet thätige Vorsehung 
auf Erden; aber ihre Stärke und Lebenskraft sieht er nicht in irgend 
einem mystischen Zauber göttlichen Ursprungs, sondern nur in dem Grade 
ihres Verdienstes. 
So stolz und gewichtig Friedrich den Monarchen in sich fühlte, so 
liegen doch in dieser Auffassung bereits Anklänge an eine andere Zeit 
menschlicher Entwicklung, die neue Gedanken und neue Forderungen in 
die Welt warf, und mancher seiner Aussprüche erinnert an die Ideen, 
die bald nach seinem Tode anfingen, die Welt zu erschüttern. Der 
mystische, gleichsam übernatürliche Zauber ist von seinem Königtum ab¬ 
gestreift, es ist eine sichtbare, menschliche Institution, deren Wert von 
dem Grade ihres Verdienstes abhängt. Der Monarch ist ihm nur „der 
erste Diener des Staates", er hält ihn für „verpflichtet", denselben so 
redlich, weise und uneigennützig zu verwalten, als wenn er „jeden 
Augenblick seinen Bürgern (eitovens) Rechenschaft ablegen müßte." Er 
hält ihn für „strafbar", wenn er „das Geld seines Volkes verschwendet", 
wenn er, statt der Wächter guter Sitten zu sein, „die Volkserziehung 
durch sein eigenes verkehrtes Exempel verderbe." Er stellt an seinen 
König die Forderung, daß er sich in die Seele des armen Landmannes 
oder Arbeiters hineindenke und sich frage: wenn ich einer von denen 
wäre, deren Kapital nur in ihrer Hände Arbeit besteht, was würde ich 
von meinem Fürsten verlangen? Er spricht den inhaltschweren Grundsatz 
aus: daß kein Mensch dazu geboren und bestimmt sei, der Sklave der 
anderen zu sein; er findet es unverzeihlich, in die Gewissen und Gedanken 
der Menschen hinein regieren zu wollen. 
Hat Friedrich II. durch diese Ideen, wie durch seine geschichtlichen 
Thaten den Zusammenhang der alten europäischen Verhältnisse durch¬ 
brochen und die hergebrachten Meinungen von der Beziehung des König¬ 
tums zu den Regierenden mächtig erschüttert, so ist seine besondere Rück¬ 
wirkung auf Deutschland nicht minder bedeutungsvoll gewesen. Es' ist 
ein bekanntes Wort von Goethe: „Der erste und wahre, höhere, eigentliche 
Lebensgehalt kam durch Friedrich den Großen und die Thaten des 
Siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie." Aber es war nicht die 
Poesie allein, welche die große Rückwirkung einer solchen Persönlichkeit 
empfand. Unser ganzes Leben, unsere eigentliche Natur hat durch Friedrich 
eine ungemeine Veränderung erfahren. Eine Persönlichkeit wie die 
des Königs, so außerordentlich überlegen den leeren Kopien des Siècle 
de Louis XIV., von denen die deutschen Fürstenhäuser und ihre Höfe 
noch erfüllt waren, so gesund und einfach und, ungeachtet seiner 
französischen Politur, so kerndeutsch, war an sich schon ein Ereignis. 
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