Full text: [Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband])

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Das Fürstentum nach Versailler Muster erhielt erst jetzt in Deutschland 
den tödlichen Stoß, nachdem in Friedrich der Gegensatz hervorgetreten, 
der Gegensatz eines tüchtigen deutschen Fürsten, an dessen Erscheinung 
sich die persönliche Achtung und Liebe wieder ausrichten und nähren 
konnte. Daß dieser König mit einer in Deutschland längst entwöhnten 
Kühnheit und einem stolzen Selbstgefühl den alten Autoritäten im 
Innern Trotz bot, wie den auswärtigen Gewalten, daß er den Hochmut 
der vornehmen, europäischen Politik züchtigte unb gegen das vereinigte 
Europa heldenmütig sich behauptete, daß er die alte deutsche Waffenehre 
wieder zur vollen, glänzenden Anerkennung brachte, daß er allen den 
Fremdlingen, die sich so lange übermütig als die Herren gebärdet auf 
deutschem Boden, jetzt blutig heimzahlte und überall als der Überlegene, 
Rasche, Unbezwingliche erschien, dem auch die Gegner ihre Bewunderung 
nicht versagten: das war von unberechenbarer Wirkung für das ganze 
deutsche Leben. Hier war der schlimme Ruf unserer schwerfälligen und 
unbeholfenen Art zum erstenmale glänzend widerlegt; hier ward nach 
langer Öde zum erstenmal ein deutscher Mann mit seinem Volke der 
Gegenstand des Neides und der Bewunderung eines ganzen Weltteils; 
hier entfaltete sich nach einer langen Zeit von nationalem Unglück und 
Demütigung eine Größe, an der die Nation sich mit ganzer Genugthuung 
erheben konnte. Es wirkte auf alle Kreise diese Kühnheit und dies 
Selbstgefühl zurück, dessen Träger Friedrich gewesen; der Deutsche 
richtete sich wieder einmal aus jener gedrückten und demütigen Stellung 
auf, welche die üble Frucht der letzten Zeiten war. 
So ist denn auch in unserer ganzen Geschichte bis dahin keine 
Persönlichkeit zu erwähnen, an deren Größe sich die gesamte Nation so 
ohne Unterschied der Stämme, der Meinungen, der religiösen Bekenntnisse 
wieder erhob. Der unermüdliche, thätige und wachsame König in seiner 
schlichten, anspruchslosen Erscheinung, seinem scharfen Auge, seinem un¬ 
verwüstlich gesunden Sinne, seiner Verachtung des Scheines, der Lüge, 
der Schmeichelei, seiner Gerechtigkeitsliebe ist in zahllosen Geschichten, 
Erzählungen und Anekdoten in alle Kreise des Volkslebens eingedrungen 
und wie keine andere Persönlichkeit unserer Geschichte das lebendige 
Eigentum der Nation geworden. Er ist der einzige Mann, dem es 
mitten in der Zerrissenheit gelang, im ganzen Kreise der Nation populäre 
Wurzeln zu schlagen, mit dem ein wirklicher Kultus getrieben ward, wie 
mit keiner anderen unserer geschichtlichen Größen. Sein Bildnis war 
in die entlegensten Gegenden eingedrungen; es ward in den Reichsstädten 
verehrt, die ihr Kontingent zur Reichsarmee gegen ihn stellten, und hing 
in katholischen Gegenden neben dem Bilde des Landespatrons. 
80. Sanssouci. 
Bon Emanuel Geibel. 
1. Dies ist der Königspark. Rings Bäume, Blumen, Vasen: 
Sieh, wie ins Muschelhorn die Steintritonen blasen! 
Die Nymphe spiegelt klar sich in des Beckens Schoß: 
Sieh hier der Flora Bild in hoher Rosen Mitten, 
Die Laubengänge sieh, so regelrecht geschnitten, 
Als wären's Verse Boileaus!
	        
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