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2. Kampf mit feilten Söhnen. Drei Jahre nach feinem Regierungsantritt
bereits teilte Ludwig das Reich unter feine drei Söhne, Lothar, Pipin und Ludwig.
Als ihm dann noch ein Sohn, später Karl der Kahle genannt, geboren wurde,
wollte er auch diesem einen Teil des Reiches zuwenden und hob deshalb die
erste Teilung wieder aus. Darüber geriet er mit den anderen Söhnen in Streit.
Bei Kolmar kam es zum Kampfe, aber fein Heer wurde von den Söhnen durch
Geschenke zum Abfall gebracht und ging in Haufen verraterifcherweife zu ihnen
über. Daher wird noch heute dieser Kampfplatz das,,Lügenfeld" genannt. Ludwig
selbst wurde gefangen genommen und von Lothar gezwungen, vor einer zahlreichen
Versammlung der Großen des Reiches in einem härenen Bußgewande zu knien
und fein Sündenregister abzulesen. So entehrt und erniedrigt, wurde er von
Lothar in ein Kloster geschickt. Diese schändliche Behandlung erfüllte feine Brüder
mit Unwillen. Ludwig befreite den Vater und fetzte ihn wieder auf den Thron.
Sechs Jahre darauf starb der Vater. Sein Sohn Pipin war ihm bereits zwei
Jahre vorher im Tode vorangegangen.
3. Deutschland wird ein selbständiges Reich. Nun teilten sich die drei
Brüder das Frankenreich in dem Vertrage zu Verdun. (843.) Lothar bekam
neben der Kaiserwürde Italien und einen Strich Landes westlich vom Rhein,
der vom Mittelmeere bis zur Nordsee reichte und in der Folge den Namen Lo¬
tharingen (Lothringen) erhielt. Karl der Kahle erhielt das Land westlich von
diesem Landstriche, also hauptsächlich das heutige Frankreich, Ludwig dagegen den
östlichen Teil des großen Reiches, das heutige Deutschland. Ludwig war also
der erste König von Deutschland, das Jahr 843 das Geburtsjahr Deutsch¬
lands, denn erst jetzt wurde dieses ein selbständiges Reich. Einige Jahre später
fiel durch einen Vertrag (870) auch der größte Teil Lothringens an Deutschland.
4. Zerfall des Reiches. Die Nachfolger Ludwigs des Deutschen waren
meist sehr schwache Fürsten; sie vermochten das Ansehen Deutschlands nicht zu
heben. Ludwigs Sohn, Karl der Dicke, vereinigte zwar noch einmal auf
kurze Zeit alle drei Reiche, wurde aber 887 abgefetzt, weil er das Reich gegen
die Feinde nicht zu schützen vermochte. Ihm folgten noch Arnulf von Kärnten
und dessen Sohn Ludwig das Kind. Ludwig war erst sieben Jahr alt, als
ihm die Krone zufiel Er starb als Jüngling von 18 Jahren (911); mit ihm
erlosch das Geschlecht der Karolinger.
Je mehr die Macht des Königs sank, desto hoher stieg das Ansehen der
Großen im Reiche. Diese waren unablässig darauf bedacht, ihr Besitztum zu
vergrößern und die Zahl ihrer Lehnsleute zu vermehren. Immer mehr sonderten
sich die einzelnen deutschen Stämme voneinander, und da die Karolinger sie nicht
kräftig genug vor äußeren Feinden schützen konnten, so wählte sich jeder Stamm
den mächtigsten seiner Grafen zum Herzoge. So entstanden die Herzogtümer
Sachsen (mit Thüringen), Franken, Bayern, Schwaben (das Land der
Alemannen) und Lothringen. Die Herzoge aber regierten ihr Land nach eigenem
Ermessen, kümmerten sich wenig um den König und machten ihre Würde erblich.
In dieser Zeit wurde das Reich vielfach von feindlichen Nachbarvölkern angegriffen.
So kamen von Norwegen und Dänemark her die Normannen (Nordmannen)
auf ihren kleinen Schiffen gefahren, um an der Küste Deutschlands zu rauben
und zu plündern. Das Fischerdorf Hamburg wurde z. B. gänzlich von ihnen zer¬
stört. Aber noch weit größeres Unglück als die Normannen brachten die Ungarn
über das Reich. — Erst in Heinrich I. erhielt das Volk einen Befreier von
diesen wilden Scharen.