Full text: [Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband])

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Jahren, eigentlich um dieselben zu hüten; aber wenn sich die Tiere zer¬ 
streuten — die Schafe, um das kurze würzige Gras zu genießen, die 
Ziegen hingegen, für die im Grunde kein passendes Futter da war, mehr 
ihren Betrachtungen und der reinen Luft überlassen, nur so gelegentlich 
den einen oder andern weichen Sprossen pflückend, — fing er inzwischen 
an, Bekanntschaft mit den allerlei Wesen zu machen, welche die Heide 
hegte, und schloß mit ihnen Bündnis und Freundschaft. 
Es war da ein etwas erhabener Punkt, an dem sich das graue 
Gestein, auch ein Mitbesitzer der Heide, reichlicher vorfand itnb sich gleich¬ 
sam emporhob, ja sogar am Gipfel mit einer überhängenden Platte ein 
Obdach und eine Rednerbühne bildete. Auch der Wacholder drängte sich 
dichter an diesem Orte, sich breit machend in vielzweigiger Abstammung 
und Sippschaft nebst manch schönblumiger Distel. Bäume aber waren 
gerade hier weit und breit keine, weshalb eben die Aussicht weit schöner 
war, als an andern Punkten, vorzüglich gegen Süden, wo das ferne 
Moorland, so ungesund für seine Bewohner, so schön für das entfernte 
Arlge, blauduftig hinausfchwamm in allen Abstufungen der Ferne. Man 
hieß den Ort den Roßberg; aus welchen Gründen, ist unbekannt, da hier 
nie seit Menschenbesinnen ein Pferd ging, was überhaupt ein für die 
Heide zu kostbares Gut gewesen wäre. 
Nach diesem Punkte nun wanderte unser kleiner Freund am aller¬ 
liebsten, wenn auch seine Pflegebefohlenen weitab in ihren Berufsgeschäften 
gingen, da er aus Erfahrung wußte, daß keines die Gesellschaft verließ, 
und er sie am Ende alle wieder vereint fand, wie weit er auch nach 
ihnen suchen mußte; ja das Suchen war ihm selber abenteuerlich, vor¬ 
züglich, wenn er weit und breit wandern mußte. Auf dem Hügel des 
Roßberges gründete er sein Reich. Unter dem überhängenden Blocke 
bildete er nach und nach durch manche Zuthat und durch mühevolles, 
mit spitzen Steinen bewerkstelligtes Weghämmern einen Sitz, anfangs für 
einen, dann füglich für drei geräumig genug; auch ein und das andere 
Fach wurde vorgefunden und hergerichtetA'oder andere bequeme Stellen 
und Winkel, wohin er seinen leinenen Heidesack legte und sein Brot und 
die unzähligen Heideschätze, die er oft hierher zusammentrug. Gesellschaft 
war im Übermaße da. Vorerst die vielen großen Blöcke, die seine Burg 
bildeten, ihm alle bekannt und benannt, jeder anders an Farbe und 
Gesichtsbildung, der unzähligen kleinen gar nicht zu gedenken, die oft 
noch bunter und farbenfeuriger waren. Die großen teilte er ein, je 
nachdem sie ihn durch Abenteuerlichkeit entzückten oder durch Gemein¬ 
heit ärgerten; die kleinen liebte er alle. Dann war der Wacholder, 
ein widerspenstiger Geselle, unüberwindlich zähe in seinen Gliedern, wenn 
er einen köstlichen, wohlriechenden Hirtenstab sollte fahren lassen oder 
Platz machen für einen anzulegenden Weg; seine Äste starrten rings 
von Nadeln, strotzten aber auch in allen Zweigen von Gaben der 
Ehre, die sie jahraus, jahrein den reichlichen Heidegästen auftischten, die 
millionenmal Millionen blauer und grüner Beeren. Dann waren die 
wundersamen Heideblümchen, glutförmig oder himmelblau brennend, 
zwischen dem sonnigen Gras des Gesteins oder jene unzählbaren, kleinen, 
zwischen dem Wacholder sprossend', die ein weißes Schnäbelchen aus-
	        
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