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Ein philosophisches Gespräch mit gleichdenkenden Freunden zog ihn von
allen Sorgen ab und beschwichtigte oft ein physisches Leiden. Beschränkung
der äußern Lage trübte seine Stimmung selten, und immer schaute er auf
den Reichtum seines Geistes, als auf einen sichern Schatz. Die Natur
habe ihm einen bodenlosen Leichtsinn gegeben, sagte er oft; und wenn er
andere durch kleine Sorgen gequält und ängstlich mit der Zukunft be¬
schäftigt fah, pries er diese Gabe seines freundlichen Genius.
Ob er gleich größtenteils von seinen schriftstellerischen Arbeiten lebte,
so hat gewiß niemand weniger als er um Geld geschrieben. Wenn er
eine Arbeit ausführte, so legte er die ganze Kraft feines Geistes hinein.
Nie war er ein Diener der Zeit; auch strebte er nicht, ihr Lenker zu fein.
Er stand unter der Herrschaft seines Geistes, der nur das Gesetz der
Wahrheit und Schönheit anerkannte.
Daß Schiller immer auf sich selbst stehen, daß er seine äußere Lage
sich selbst bilden mußte, hat vielleicht anch dem Genius in ihm seine
Eigentümlichkeit bewahrt und ihm Selbständigkeit gegeben. Hätte er, wie
andere Dramatiker, in der Atmosphäre und Gunst eines mächtigen Be¬
schützers und Versorgers gelebt, wer kann entscheiden, ob nicht Dankbarkeit
und Liebe den freien Schwung seines Geistes gehemmt hätten? — Wie
anders würde Calderon gedichtet haben, hätte er nicht am spanischen
Hofe gelebt! So stand Schiller allein in der Welt, nur auf den Laut
der großen Natur in feinem Innern horchend, den die Stimme der Nation
int Widerhall zurückgab. Der Schutz, die Teilnahme, die er von Hähern
erfuhr, waren nie hinreichend, feine äußere Existenz zu gründen und zu
sichern, und gewannen nie dauernden Einfluß auf ihn. Eigene Einsicht
blieb seine Regel, und seine Geistesprodukte gediehen in ungekränkter
Natur. Er hatte immer nur die Wirkung auf das große Ganze, auf die
Menschheit im Auge....
Schillers Leben fiel in die Umgestaltung Europas, in eine schwere,
für unser Vaterland leidenvolle Zeit. Wie er die großen Zeitmomente
einsah und fühlte, zeigt-manche Stelle in feinen Dichtungen. Er starb im
Jahre vor der Schlacht, deren Donner er, wenn er gelebt, gehört haben
würde, die unsere bis dahin ruhige Heimat in die äußerste Bedrängnis
brachte. Hätte er die große deutsche Zeit des Jahres dreizehn erlebt, wie
würde ihn der Geist und der Mut, mit dem unser Volk Thaten übte und
Opfer brachte, erfreut haben!
Da das geistige Leben eines Volkes in seiner Sprache liegt, in der
Masse von Begriffen und Gefühlen, in den Ideen, die sie auszudrücken
vermag, so kann man sagen, daß Schillers Geist mächtig auf die Er¬
haltung und Regeneration des deutschen Sinnes gewirkt hat.
Das Leben der Dichter, sagte er selbst, kann kein bedeutendes In¬
teresse haben, da es nur ein innerliches ist. Das seinige war vielleicht
innerlicher, als das der meisten andern; aber eben in dieser stillen, inner¬
lichen Tiefe, an der die Gegenwart machtlos vorüberzog, hat es eine
rührende Einfalt und Größe. Das Höchste aller Zeiten stand immer vor
seinem Geiste, und zu dem Höchsten und Besten wollte er anch die Ge¬
witter der Menschen erheben.
Die welthistorische Wirkung der Christuslehre, die reine heilige Gestalt