Full text: [Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband])

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Ein philosophisches Gespräch mit gleichdenkenden Freunden zog ihn von 
allen Sorgen ab und beschwichtigte oft ein physisches Leiden. Beschränkung 
der äußern Lage trübte seine Stimmung selten, und immer schaute er auf 
den Reichtum seines Geistes, als auf einen sichern Schatz. Die Natur 
habe ihm einen bodenlosen Leichtsinn gegeben, sagte er oft; und wenn er 
andere durch kleine Sorgen gequält und ängstlich mit der Zukunft be¬ 
schäftigt fah, pries er diese Gabe seines freundlichen Genius. 
Ob er gleich größtenteils von seinen schriftstellerischen Arbeiten lebte, 
so hat gewiß niemand weniger als er um Geld geschrieben. Wenn er 
eine Arbeit ausführte, so legte er die ganze Kraft feines Geistes hinein. 
Nie war er ein Diener der Zeit; auch strebte er nicht, ihr Lenker zu fein. 
Er stand unter der Herrschaft seines Geistes, der nur das Gesetz der 
Wahrheit und Schönheit anerkannte. 
Daß Schiller immer auf sich selbst stehen, daß er seine äußere Lage 
sich selbst bilden mußte, hat vielleicht anch dem Genius in ihm seine 
Eigentümlichkeit bewahrt und ihm Selbständigkeit gegeben. Hätte er, wie 
andere Dramatiker, in der Atmosphäre und Gunst eines mächtigen Be¬ 
schützers und Versorgers gelebt, wer kann entscheiden, ob nicht Dankbarkeit 
und Liebe den freien Schwung seines Geistes gehemmt hätten? — Wie 
anders würde Calderon gedichtet haben, hätte er nicht am spanischen 
Hofe gelebt! So stand Schiller allein in der Welt, nur auf den Laut 
der großen Natur in feinem Innern horchend, den die Stimme der Nation 
int Widerhall zurückgab. Der Schutz, die Teilnahme, die er von Hähern 
erfuhr, waren nie hinreichend, feine äußere Existenz zu gründen und zu 
sichern, und gewannen nie dauernden Einfluß auf ihn. Eigene Einsicht 
blieb seine Regel, und seine Geistesprodukte gediehen in ungekränkter 
Natur. Er hatte immer nur die Wirkung auf das große Ganze, auf die 
Menschheit im Auge.... 
Schillers Leben fiel in die Umgestaltung Europas, in eine schwere, 
für unser Vaterland leidenvolle Zeit. Wie er die großen Zeitmomente 
einsah und fühlte, zeigt-manche Stelle in feinen Dichtungen. Er starb im 
Jahre vor der Schlacht, deren Donner er, wenn er gelebt, gehört haben 
würde, die unsere bis dahin ruhige Heimat in die äußerste Bedrängnis 
brachte. Hätte er die große deutsche Zeit des Jahres dreizehn erlebt, wie 
würde ihn der Geist und der Mut, mit dem unser Volk Thaten übte und 
Opfer brachte, erfreut haben! 
Da das geistige Leben eines Volkes in seiner Sprache liegt, in der 
Masse von Begriffen und Gefühlen, in den Ideen, die sie auszudrücken 
vermag, so kann man sagen, daß Schillers Geist mächtig auf die Er¬ 
haltung und Regeneration des deutschen Sinnes gewirkt hat. 
Das Leben der Dichter, sagte er selbst, kann kein bedeutendes In¬ 
teresse haben, da es nur ein innerliches ist. Das seinige war vielleicht 
innerlicher, als das der meisten andern; aber eben in dieser stillen, inner¬ 
lichen Tiefe, an der die Gegenwart machtlos vorüberzog, hat es eine 
rührende Einfalt und Größe. Das Höchste aller Zeiten stand immer vor 
seinem Geiste, und zu dem Höchsten und Besten wollte er anch die Ge¬ 
witter der Menschen erheben. 
Die welthistorische Wirkung der Christuslehre, die reine heilige Gestalt
	        
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