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heraufkam. In dem Augenblick, als der Vater sich umwandte dem Dörflein
zu, tauchte aus der Tiefe der Schlucht ein irrer Blick in das blinkende
Sternenlicht, und mit Himmelsgewalt schlug wie ein siegreicher Blitzstrahl
ein Seelenschrei in die Unendlichkeit: „Herr Gott, ich muß der Altmutter
zum Nachtmahl helfen."
Der Nachtwächter war langsam hinaufgestiegen auf den Kirchhof-
hügel. Man sah dort am weitesten umher. Er spähte in die schneelose
Landschaft hinaus, fein Blick weilte ein wenig bei den dunkeln Tannen,
die das Wvlfsloch zudeckten. Dann ging der Mann langsam über den
hellen Friedhof. An einem großen Grabhügel stand er stille. Hier lagen
siebzehn, die auf zwei Tage an der Pest gestorben waren. Darunter auch
sein Weib und zwei Mägdlein. Ein drittes, die älteste, hatte das Kriegs¬
volk mitgeschleppt. Sie war nimmer heimgekommen.
Nimmer heimgekommen! Ta schnürte es ihm das Herz zu. Er
dachte an seinen Buben. Aber wie er nun. um von neuem zu spähen
und zu lauschen, das Antlitz hob, leuchteten ihm die Sterne so mild und
tröstlich an, daß ihm die Augen feucht wurden. Und mit einemmale fiel's
ihm ein: „Heute ist der Heiland geboren". Er schaute nach dem Stand der
Gestirne.
Es war um die halbe Nacht. Er nahm sein Horn und blies die
zwölfte Stunde. Dann schritt er den Hügel hinab. Als er von der stern¬
hellen Höhe in die finstere Dorfgasse getreten war, hielt er stille und
hub mit lauter Stimme zu singen an:
„Vom Himmel hoch da komm' ich her,
Ich bring euch gute, neue Mär,
Der guten Mär bring ich so viel,
Davon ich singen und sagen will."
Er wollte gerade weiter fahren: Euch ist ein Kuäblein heut geborn,
da sah er eine- hohe Gestalt die Dorsgasse heraufkommen. So hoch¬
gewachsen ist nur einer, .jauchzte sein Herz: mein Bub! Mit raschen
Schritten ging er ihm entgegen. Der Bursche kam langsam, er war bar¬
häuptig, die Arme über der Brust gefaltet. Im Schatten einer Scheune
stand er still. Halb freudig, halb verwundert trat der Vater ihm nahe.
Aber ehe er fragen mochte, rief ihm der Sohn mit leiser, fremdartiger
Stimme zu: „Vater, holt den Pfarrer, die Altmutter kann zum Nacht¬
mahl." Und flüsternd fügte er hinzu: „'s ist Friede!"
„Friede!" schrie der Mann und taumelte zurück. „Friede," wieder¬
holte er, und die Thränen stürzten ihm aus den Augen, und er zitterte
wie im Fieberschauer. Eine Weile stand er in sich versunken und murmelte
vor sich hin immer nur das eine Wort: „Friede!" Dann raffte er sich
auf und ging mit großen Schritten dem Psarrhanse zu. Des Sohnes
hatte er vergessen.
Der ging langsam zurück. Ost blieb er stehen und preßte die Hände
auf die Brust. Aber nach kurzer Weile ging er weiter, vorbei am letzten
Hause, wo die sterbende Großmutter lag. Zum Dorf hinaus dem Wvlfsloch
zu schleppte er sich. Was trieb ihn an den grauenvollen Ort? Wollte
er dem erwürgten Feinde noch einmal ins verglaste, bluttriefende Auge
schauen?