Full text: [Teil 4 = (Unter-Tertia), [Schülerband]] (Teil 4 = (Unter-Tertia), [Schülerband])

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II. Geschichte. 2. Kulturgeschichtliches. 
das Gestein und das Sonnenlicht auf Wald und Hügel, die Straße, der 
Ausblick in das Land und die Nachbarschaft wurden sorglich erwogen, 
Brüder wurden als Späher ausgesandt, bei den Frommen der Umgegend 
ward Kunde eingeholt, dann erst wurde eine Gesellschaft der Brüder ab¬ 
gesandt zur Gründung des Klosters. Die Gesandten begingen Flur und 
Tal, darauf knieten sie nieder, beteten und sangen die Psalmen, welche zu 
diesem Offizium gehörten, warfen die Richtschnur, steckten die Pflöcke und 
maßen den Grund der Kirche, dazu die Wohnungen der Brüder. Schnell 
wurden vorläufige Hütten gebaut, und der Bischof ward geladen, die 
Stätte zu weihen; an die Stelle, wo der Altar sich erheben sollte, wurde 
die heilige Kreuzsahne gesteckt, von dort die geweihte Umfriedung mit 
einem Namen begabt. An demselben Tage begann der Ban, die Mönche 
arbeiteten mit den Landleuten um die Wette an Balken und Steinen. 
Waren die nötigsten Gebäude ausgerichtet, dann siedelten die Brüder aus 
dem Mutterkloster über mit allem Hausrat; Männer, Greise und Knaben 
begingen unter dem Notdach die erste Messe. Stand die Kirche vollendet, dann 
führte der Abt des neuen Klosters eine größere Anzahl der Brüder herzu. 
Bedeutung und Wohlstand eines Klosters hingen davon ab, daß eine 
große Herrenfamilie ihre Interessen mit denen des geistlichen Stiftes ver¬ 
einigte. Die weltlichen Gründer und Schützer, das Königsgeschlecht, ein 
Herzog oder Graf, betrachteten das Kloster als einen wertvollen Helfer 
für ihr irdisches und ewiges Heil, durch die Mönche ordneten sie ihre 
Rechnung mit dem Himmel, der Klosterheilige war auch ihr Patron, ihm 
wurden Gelübde abgelegt, ihm bei beschwertem Gewissen Geschenke gemacht, 
ihm die Söhne und Töchter geweiht, welche nicht der weltlichen Lust und 
Versuchung teilhaftig sein sollten, an seinem Altare suchte man Frieden 
und Erhebung, bei seinen Reliquien die letzte Ruhestätte. Fast sedes der 
großen Klöster Deutschlands, welche vom achten bis zum elften Jahr¬ 
hundert Bedeutung gewannen, war in solchem Sinne Besitz eines mächtigen 
Hauses und Vertreter seiner Interessen. Und es wurde in der Regel ein 
Verhältnis von großer Innigkeit. In der Einsamkeit des Klosters fand 
der wilde Krieger, der ränkevolle Politiker eine heilige Ruhe, welche ihm 
sein Leben nicht gönnte, in den Mönchen die treusten Anhänger, die ihn 
als den großen Spender und Freund betrachteten, in den Weisen des 
Klosters stille Ratgeber, Verfertiger von Schriftstücken — zuweilen auch 
von unechten — und Verfasser der Annalen seines Hauses. Die Äbte 
wurden häufig aus seinem Geschlechte gewühlt, unter den Brüdern oder 
Schwestern waren Kinder seiner Anhänger, er und die Seinen hatten im 
Kloster eine geweihte Heimat, und wenn ihr Glück auf Erden gescheitert 
war, die letzte Zuflucht. 
Durch Spenden der Gönner mehrte sich allmählich das Eigentum des 
Klosters, seine Ackerstiicke und Hufen lagen vielleicht über einen großen
	        
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