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B. Lyrische Poesie. Storni: Abseits. Uh land: Die Kapelle.
2. Die Sonne, sie bleibet
Am Himmel nicht stehn,
Es treibt sie, durch Länder
Und Meere zu gehn.
Die Woge nicht haftet
Am einsamen Strand,.
Die Stürme, sie brausen
Mit Macht durch das Land.
3. Mit eilenden Wolken
Der Vogel dort zieht
Und singt in der Ferne
Ein heimatlich Lied.
So treibt es den Burschen
Durch Wälder und Feld,
Zu gleichen der Mutter,
Der wandernden Welt.
4. Da grüßen ihn Vögel,
Bekannt überm Meer,
Sie flogen von Fluren
Der Heimat hieher.
Da duften die Blumen
Vertraulich um ihn;
Sie trieben vom Lande
Die Lüste dahin.
5. Die Vögel, die kennen
Sein väterlich Haus;
Die Blumen einst pflanzt' er
Der Liebe znm Strauß.
Und Liebe, die folgt ihm,
Sie geht ihm zur Hand:
So wird ihm zur Heimat
Das ferneste Land.
44. Abseits.
Theodor Storm, geb. am. 14. September 1817 zu Husum in Schleswig; seit 1864
Landvogt daselbst; gest. am 4. Juli 1888 zu Hademarschen in Holstein.
1. Es ist so still; Die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn, der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
2. Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen, Zweig um Zweig,
Sich an der Edelheide Glöckchen;
Die Vögel schwirren aus dem Kraut,
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
3. Ein halbverfallen Schindelhaus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
4. Kaum zittert durch die Mittagsruh
EinSchlagderDorfuhr,derentfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
— Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit.
45. Die Kapelle.
1. Droben stehet die Kapelle,
Schauet still ins Tal hinab;
Drunten singt bei Wies' und Quelle
Froh und hell der Hirtenknab.'