Full text: Deutsches Lesebuch für Tertia (Teil 4, [Schülerband])

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Bären und hängte sie zur Kurzweil an Bäume auf. Alles das flößte aber 
dem Schmiede Furcht ein, so daß er sich des starken Jünglings zu ent« 
ledigen trachtete. 
Mimer hatte nun einen Bruder, Reg in, der wegen böser Zauberei 
in einen Lindwurm verwandelt worden war. Dieser tötete Menschen und 
Tiere, die in seine Gewalt kamen, und ftaß sie. Zu dem sprach Mimer 
eines Tages: „Ich will dir den schönsten und stärksten Jüngling, den es 
weit und breit gibt, zum Fraße senden." 
Darauf ging er nach Hause und hieß hinterlistigerweise Siegfried in 
den Wald gehen und Kohlen brennen. Der Jüngling begab sich auf den 
Platz, den ihm Mimer bezeichnet hatte, fällte Bäume und machte ein großes 
Feuer an. Darauf fing er einen Eber, zog ihm das borstige Fell ab und 
schickte sich an, ihn am Feuer zu braten. Da schoß plötzlich der greuliche 
Lindwurm aus dem Dunkel des Waldes hervor. Sein Rachen war so 
groß, daß er Mann und Roß verschlingen konnte. Aus den Augen sprühten 
ihm Funken, aus der Nase fuhr feuriger Dampf. Siegfried aber erschrak 
nicht; was Furcht war, wußte er nicht. Er ergriff, da er kein Schwert 
hatte, einen jungen Baumstamm, dessen obere Hälfte lichterloh brannte, 
und stieß die Spitze dem Lindwurm in den Rachen. Darauf schlug er 
ihn so auf den Schuppenkopf, daß der Schädel zersprang und Blut und 
Mark bis in die Zweige der Bäume spritzten. Der Wurm wälzte sich 
am Boden und schlug mit dem Schweife um sich, daß die stärksten Bäume 
wankten. Der Held stand von fern, bis das Ungetüm tot war und still 
lag. Nunmehr nahm er seine Axt und hieb ihm den Kopf ab. Danach 
schnitt er das Herz aus, tat es in einen Kessel und kochte es. Er tauchte 
den Finger hinein und kostete. Alsbald verstand er die Sprache der 
Vögel. Sie sangen: 
Du warst dem Wurm zum Fraße versprochen. 
Mimer ist dein Feind; hüte dich! 
Darauf suchte er das Nest des Lindwurms und fand es in einem 
tiefen Felsengeklüfte. Dort lag noch ein alter Wurm mit Jungen. Er 
warf einen Baum hinein, so daß die Untiere nicht hervorkommen konnten. 
Hierauf fällte er noch mehrere Bäume und warf sie ins Geklüft. Dann 
nahm er Feuer und zündete das Holz an. Als die Würmer verbrannt 
waren, floß ein weißer, klarer Bach aus dem Felsen hervor, es war das 
Fett der Ungetüme. Da legte Siegfried auf den Rat der Vögel die Kleidung 
ab und bestrich sich den ganzen Körper mit dem Drachenfette. Bloß auf 
dem Rücken blieb eine Stelle leer, denn dahin war, ohne daß er's gemerkt 
hatte, ein Lindenblatt gefallen. Als die Haut getrocknet war, konnte man 
ihr nichts ansehen, aber sie war bis auf die eine Stelle undurchdringlich wie 
Horn geworden.
	        
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