Full text: Deutsches Lesebuch für Tertia (Teil 4, [Schülerband])

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II. Deutsche und nordische Sagen. 
sie sollen, mögen sie das Bild glücklich in deinen! Reiche aufstellen. 
Ich senke meine Lanze vor den Göttern. Laßt uns umwenden und 
in die Mauern unserer Stadt zurückkehren!" 
Es geschah, wie Athene verkündet hatte. Die taurische Artemis 
erhielt ihren Tempel und behielt ihre Priesterin Jphigenia in Athen. 
Orestes setzte sich zu Mycene als beglückter König auf den Thron seiner 
Väter und gewann mit der lieblichen Tochter des Menelaus Und der 
Helena, Hermione, das Königreich Sparta. Seine Schwester Elektra 
brachte ihr Gemahl Pylades auf den Thron von Phocis. Orestes er¬ 
reichte ein Alter von neunzig Jahren. Da regte sich der alte, er¬ 
löschende Fluch der Tantaliden noch einmal: eine Schlange stach ihn 
in die Ferse, daß er starb. 
II. Deutsche und nordische Sagen. 
3. Umriß der nordisch-germanischen Göttersage. 
Nach der Edda. Von L. Uh land. Schriften. VII. 
1. Der Anfang aller Dinge. 
Am Anfange der Zeit war nichts, nicht Sand noch See, nicht 
kühle Wogen, nicht grünes Gras, nirgends Erde, noch Himmel oben, 
nur der gähnende Abgrund (Ginnungagap, Chaos). Aber lange vor 
der Erde war Niflheim geschaffen, die Nebelwelt; in ihrer Mitte fließt 
der Quell Hvergelmir, und aus ihm strömen zwölf Flüsse, die Eli- 
vagar heißen. Wenn diese soweit von ihrem Ursprünge kommen, daß 
das Gift, das mit ihnen floß, verhärtet, so wird daraus Eis, und 
Schichte schiebt sich auf Schichte in Ginnungagap. So ward dessen 
nördliche Gegend voll von Eis und Frost, voll Sturmes und Un¬ 
wetters. Südlich aber ist eine andere Welt, Muspell, Muspelheim, 
hell und heiß, flammend und brennend; ihr Herrscher ist Surtur, der 
Schwarze, der einst die ganze Welt mit Feuer verzehren wird. Von 
den Feuerfunken nun, die aus Muspelheim herüberflogen, war der 
südliche Teil von Ginnungagap warm, hell und milde wie windstille 
Luft. Und als der Hauch der Wärme das Eis traf, schmolz es und 
floß in belebten 'Tropfen nieder, und daraus ward eines Mannes 
Bild, der Riese 2)mer. Er war böse wie alle seine Abkömmlinge. 
Zunächst nach Amer entstand aus dem aufgetauten Eise die Kuh 
Audumbla, die mit vier Milchströmen aus ihren Eutern den Riesen 
nährt. Von ihm stammt das Geschlecht der Hrimthursen, der Frostriesen. 
Die Kuh Audumbla aber beleckte die mit Reif belegten Salzsteine, 
und am ersten Tage entstanden aus den Steinen Menschenhaare, am
	        
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