Full text: [Teil 4 = Klasse 6, [Schülerband]] (Teil 4 = Klasse 6, [Schülerband])

42. Die Kaiserin Editha. 
101 
aber wird Hermann vom Felde heimgeholt. Der König war bei seinem Vater 
eingekehrt und hatte zu ihm gesagt: „Billung, gib mir deinen ältesten Sohn 
mit, ich will ihn bei Hofe erziehen lassen; er wird ein treuer Mann werden, 
und ich brauche treue Männer!" Und welcher treue Sachse konnte einem 
Könige wie Otto eine Bitte versagen? 5 
So sollte denn der nmtige Knabe mit seinem Könige ziehen, und als 
Otto ihn fragte: „Hermann, willst du mit mir ziehen?" da antwortete der 
Knabe freudig: „Ich will mit dir ziehen; du bist der König und schützest das 
Recht!" 
Und Hermann Billung wurde nachmals Ottos treuer Freund und io 
schützte wie sein König das Recht. Und als Otto die Ungarn niedergeworfen, 
alle seine Feinde bezwungen und Italien zum Reiche gebracht hatte, da ver¬ 
lieh er das väterliche Herzogtum seinem wackern Kampfgenossen, Hermann 
Billung. Anderthalb Jahrhunderte hat dessen Geschlecht im Sachsenlande 
geblüht. Ludwig HarmS.* 15 
42. Die Kaiserin Editha. 
^»H itten in seiner Glücksbahn traf König Otto ein gewaltiger Schlag des 
4* * Schicksals und gemahnte ihn an die Hinfälligkeit aller irdischen Herr¬ 
lichkeit. 
Am 26. Januar 946 wurde ihm durch den Tod seine Gemahlin Editha 20 
entrissen. Unerwartet nahm der Tod sie von Ottos Seite, als sie ihre beiden 
Kinder lieblich erblühen sah. Achtzehn Jahre hatte die angelsächsische Königs¬ 
tochter unter den Deutschen gelebt, und alle beweinten ihr Ende, da sie mehr 
gleich einer liebenden Mutter denn als eine Königin unter dem Volke ge¬ 
waltet hatte. Schon ihre Zeit verehrte sie wie eine Heilige; denn reine, 25 
wahre und innige Frömmigkeit wohnte in ihrer Seele und gab sich in edeln 
Werken christlicher Liebe kund. Oft soll ihr Gebet den König aus großer 
Bedrängnis gerettet haben, oft milderte ihre Fürbitte seinen heftigen Sinn. 
So stürmisch sein Zorn war, das zarte Weib beschwichtigte ihn. Als er 
einst seine Mutter wegen ihrer Mildtätigkeit schalt, und diese sich tiefgekränkt:io 
vom Hofe entfernte, rührte Editha das Herz des Gemahls, und reuig bat 
er die Mutter um Verzeihung. 
Auch Editha selbst soll Otto bisweilen ihre große Mildtätigkeit verargt 
und ihr einmal im Zorn verboten haben, ihre Hand ferner den Armen zu 
öffnen. Um sie zu prüfen, erzählt die Sage, trat er einst an einem Feiertage35 
selbst als Bettler vermummt, an die Kirchentür, als sich gerade die Königin
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.