Full text: [Teil 4 = Klasse 6, [Schülerband]] (Teil 4 = Klasse 6, [Schülerband])

Deutschland im dreizehnten Jahrhundert, 
Geschlecht. In ihrer Gier nach Besitz und Wohlleben, in ihrer Eifersucht auf 
die verhaßten Bürger wurden nicht wenige Ritter zu Wegelagerern und 
Straßenräubern, die den Wagenzügen auflauerten, die Fuhrleute nieder- 
schlugen, die Waren plünderten, ansehnliche Gefangene in den Burgturm 
warfen und nur gegen hohes Lösegeld freigaben. Bei solchem wüsten und 
rechtlosen Treiben kam ihnen der echte und rechte Rittersinn abhanden; Roheit 
trat an die Stelle der Zucht, wildes Benehmen an Stelle der höfischen Sitte. 
Die ritterliche Dichtkunst vollends konnte nicht mehr gedeihen. 
Aber auch für das Kriegswesen verlor im Laufe des vierzehnten 
und fünfzehnten Jahrhunderts das Rittertum allmählich an Bedeutung. Um 
möglichst alle Körperteile zu decken, hatte man die Rüstung immer schwerer 
gemacht; so wurde sie für das Turnier immer brauchbarer, für die Schlacht 
und den Feldzug zu schwerfällig. Daher erlagen im vierzehnten Jahrhundert 
mehrfach die Ritterheere den Schweizer Bauern, die weniger gut gewappnet 
waren, aber sich leichter bewegen konnten. Dazu kam, daß mehr und mehr 
der Gebrauch von Söldnern aufkam; Landsknechte, die man für Geld 
anwarb, waren den Fürsten eine zuverlässigere Hilse als die ritterlichen 
Vasallen, welche sich nicht immer bereit finden ließen, für sie ins Feld zu 
ziehen. So brach ein neues Zeitalter des Heerwesens heran; die gewappneten 
Reiterheere traten zurück, die zu Fuß kämpfenden Landsknechte bildeten 
den Kern der Heere. 
§ 78. Die Neichsverfassnnff. Wenn das Rittertum im zwölften und 
dreizehnten Jahrhundert eine eigenartige und hohe Kultur geschaffen hat, so 
war es um den deutschen Staat damals desto trauriger bestellt. Die langen, V-nali^des 
oft wiederholten Kämpfe zwischen Kaiser und Papst, Kaiser und Fürsten 
hatten damit geendet, daß das Kaisertum unterlag. Es war in seiner Macht 
wesentlich geschwächt; die Herrlichkeit Ottos des Großen, Konrads II., 
Friedrich Barbarossas war sür die späteren Kaiser unerreichbar. Die deutschen 
Herzöge, Grafen und Bischöfe fühlten sich, obwohl durch den Lehnseid dem 
König zur Treue und zum Gehorsam verpflichtet, mehr als F ü r st e n denn als 
Vasallen. Sie führten ihre Reisigen lieber für ihre eigenen Zwecke ins Feld 
als im Dienste des Königs; sie ordneten sich ungern dem königlichen Gericht 
unter; sie suchten die königlichen Befugnisse zu schmälern und beanspruchten 
es, in den Angelegenheiten des Reichs gehört zu werden und aus den R e i ch s - 
tagen darüber zu beraten. Die Einkünfte der deutschen Könige ferner 
waren sehr gesunken. Einst hatten sie über ausgedehnte Krongüter geboten: 
jetzt waren diese bis auf geringe Reste als Lehen vergeben und verschleudert. 
Wer in Zukunft die deutsche Krone trug, konnte nicht mehr auf das Reichsgut
	        
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