Full text: [Teil 4 = Klasse 6, [Schülerband]] (Teil 4 = Klasse 6, [Schülerband])

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18. Im hohen Westerwald. 
18. Im hohen Westerwald. 
I^TRiwetter war's! Kaum konnte marcks glauben: wirklich Maiwetter! 
' ' ^ Monate hindurch lag die ganze Welt im. Schnee begraben, als 
käme der Erdboden nimmermehr zu Tag. Die Häuser hockten trübselig unter 
5 der Winterlast, die Gassen schrumpften zusammen zu Fußwegen zwischen 
hohen Schneemauern. Abwechselnd Schneescheppen und Schneetreiben! Und 
immer um Kopf und Hals das dicke Gemummel, und immer Einhacken! Wie 
da der Hunger entstand nach Frühling, Grün und Sonne! Schon den ganzen 
April über sangen die Schulkinder: „Alles neu macht der Mai." Drunten 
10 im Grund, wo es um einen Rock wärmer war, gab's auch schon wochenlang 
frische Wiesen und Schneeglöckchen, aber zum Bergsteigen, den „hohen" 
Westerwald hinauf, mar der Frühling noch zu juug und schwach, bis Sturm 
und Regen vor ihm Bahn machten und die Wildwasser talabwärts tosten. 
Aber nun war er da und Maiwetter! Neubelebt mit einemmal erhob 
15 sich das Dorf. Winterwams und Halstuch kamen endlich vom Leib. 
Gönnerhaft lächelnd stand die Sonne am Himmel: Sieh da, das Dörf¬ 
chen Hasselbach! Es schaute noch ärmer aus als im Herbst. Die laugen, 
braunen Strohdächer und vorn die hellen Guckaugenfenster. Ei! Und der 
kurze, breite Kirchturm inmitten der dunklen Riesentannen mühte sich noch 
20 immer so vergeblich ab, wenigstens mit dem Zinkknops und der rostigen 
Wetterfahne einen Blick ins Land zu gewinnen; umsonst, die Tannen waren 
ihm endgültig über den Knopf gewachsen. Und dicht dabei der schmutzige 
Tümpel. Katzenweiher heißt er, auch Brandweiher. Bald laichen wieder die 
Frösche darin und quaken in der Mainacht. — Und auch das alte, windschiefe 
25 Pfarrhaus stand noch? Ja, seine eichenen Balken dauern, sonst hätte es der 
Winter längst über den Haufen gerannt.- 
In der Nacht trieb der Sturm wieder, wie so oft, fein wildes Wesen, 
und die starken Tannen der Schutzhccke hatten ihre liebe Not, den Tobenden 
abzuhalten, daß er nicht ins Dorf käme. Darum klang's auch gegen Morgen 
30 noch wie zorniger Donner über beut Walde. Eine verspätete Schneeschaube 
taumelte zwischen Himmel und Erde. „Frühling und Winter scheiden sich", 
sagten die Leute im Ort. Dann klärte sich'S rasch auf, und deutlich vernahm 
man die Glocken von Überntal, das nach Sonnenaufgang liegt. Und sogar 
die Eisenbahn hörte man pfeifen. 
35 Oberhalb von Hasselbach geht's steil bergauf. Das ist die Hub. Von 
dort schaust du weit hinaus ins blaue Gebirge, das Hinterland, dessen Höhen 
sich auftürmen wie gewaltige Worte Gottes, eines immer größer und mäch¬ 
tiger als das andere. Und nahe geht's über die langgedehnte Blachheide
	        
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