Die Freiheit hat die Griechen groß gemacht.
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sondern eines inneren Schauens, einer plötzlichen göttlichen Offenbarung;
es waren Geistesblitze; dichterische Schaffens- und Gestaltungskraft tat
sich dabei kund. Das Denken folgte dem Dichten. Die Versuche
der ältesten Philosophen, das Weltsystem und die Entstehung der
Dinge zu erklären, sind Dichtungen. Die Fragestellung, die Probleme,
welche sie aufwerfen: es sind nicht Erzeugnisse begrifflichen Denkens,
sondern Offenbarungen. Das gilt auch für die Atomenlehre des
Demokritos, für die Zweiweltentheorie Platos. Ja, selbst die Fort-
schritte auf dem Gebiet der Mathematik und Technik sind aus diese
Weise erfolgt. Von größter Wichtigkeit war es aber, daß die Griechen
an eine Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit glaubten, wo kein
Zufall waltet; erst bei solchem Glauben ist Wissenschast überhaupt
möglich; das Wort, welches „Ordnung" bedeutet, „Kosmos", wurde
die Bezeichnung für die „Welt".
Als im 6. Jahrhundert vor Chr. die Freiheit der kleinasiatischen
«Griechen durch die Lyder und später die Perser bedroht wurde,
wanderten manche bedeutende Männer nach Sizilien und Unteritalien
aus. Durch sie entstand dort ein eifriges wissenschaftliches Streben;
bekannt ist der große Philosoph und Mathematiker Pythagoras.
b) Auch die lyrische Poesie entwickelte sich zunächst in den
'Griechenstädten Kleinasiens und auf den Inseln des Ägäischen Meeres;
don großem Einfluß waren die politischen Kämpfe zwischen Adel und
Volk im 7. und 6. Jahrhundert.
Ist es Zusall, daß im hellenischen Mutterland zuerst Sparta
sich an dem Geistesleben beteiligte? Während des 7. und 6. Jahr¬
hunderts lebte hier ein Geist der Freiheit, des Fortschritts, des Auf-
schwungs; deshalb konnte hier die Dichtkunst gedeihen. Später als
der spartanische Staat erstarrte (seit 500), stand er völlig abseits von
dem griechischen Kulturleben.
c) Athen:
Wer heute von griechischer Kunst und Wissenschaft redet, denkt
dabei in erster Linie an Athen. Jedoch muß stark betont werden,
daß die Athener erst, seitdem Solon sie fr et gemacht hatte,
befähigt wurden, an der griechischen Kultur mitzuschaffen.
Aber seine alles überragende Stellung erlangte Athen erst während
und durch die Perserkriege. Als das kleine Häuflein tapferer Athener
den mächtigen Feind abwehrte (490 und 480) und dann selbst zum
Angriff überging, da wurde diese Heldentat der Anlaß zu einem un-
glaublichen Ausschwung. Wenn Göthe in Dichtung und Wahrheit sagt:
„'Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt kam durch Friedrich