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A. Erzählende Prosa. II. Kulturbilder.
essante, auf Holz gemalte alte Bilder, welche jene Vorgänge in der
anschaulichsten Weise schildern. Das größere von ihnen stellt den
Auszug der Mönche dar. Man sieht einige Klostergebäude und den
Konventgarten mit dem Teiche, der sich früher darin befunden hatte.
Rechts pilgern soeben die bestürzten Brüder aus, während aus den
Wolken die Jungfrau Maria sich niedersenkt, lächelnd neuen Trost den
Armen spendend. Über ihr befinden sich die Worte: „Redeatis, nihil
deerit vobis.“ Unterhalb der Kirche sieht man das Bild des Stifters,
dessen Wappen und eine Inschrift. Rechts vom Markgrafen ist die
Ermordung des Abtes dargestellt. Unter der Eiche liegen die Schlüssel,
die Kopfbedeckung, sowie das Evangelienbuch des Ärmsten. Darunter
liest man:
„Lebolclus, prinnis abba a Lenyn, a slavica gente occisus.“
Auf den Rand des Bildes aber sind die Worte eingeschnitten:
„0 telix Lenyn et tua filia Chorin,
Ex te est orta Nova Cella et Coeli Porta.“
Das kleinere Bild zeigt die Klosterkirche in ältester Gestalt und
rechts davon die zur Rettung des Abtes herbeigeeilten Mönche mit
Beuteln voll Lösegeld, bedroht von den sie umringenden Heiden.
Darunter ist abermals der Auszug der Brüder zu sehen, welcher
einen längeren, in lateinischer Mönchsschrift geschriebenen Vers zeigt,
der zu deutsch ungefähr lautet: „Im Jahre 1098 begann unter dem
Pater Robert der Cistercienserorden. Im Jahre 1180 bist du, Lehnin,
gegründet worden unter dem Pater Seboldus; der Markgraf Otto von
Brandenburg hat dich ausgestattet: es war im Monat April. Hier
ruhet jener gute Markgraf Otto, der Beschützer dieser Kirche. Er
möge in Frieden schlafen! Hier ruhet auch der erste gemordete Abt,
dem das Paradies mit Recht offen steht, den das feindselig gesinnte
Slavenvolk ermordet hat." Bis zum Jahre 1707 soll auch noch der
Leichenstein des ermordeten Abtes vorhanden gewesen sein.
Nach dieser Schreckenszeit begann mehr und mehr der Glanz und
das Ansehen des Klosters sich zu heben; denn wie der Stifter, so
waren auch die Nachfolger desselben ihm allezeit in Gnaden gewogen.
Aus dem Kloster Lehnin gingen nach und nach hervor die Klöster
Neuzelle, Paradies, Mariensee, Himmelspforte und das herrliche Chorin,
dessen Ruinen uns noch heute von der einstigen gewaltigen Größe
erzählen. Freilich, an Macht und Bedeutung war Lehnin stets allen
überlegen. Als es späterhin aufgehoben wurde, besaß es nicht weniger
denn zwei Städte, vierundsechzig Dörfer nebst vierzehn Vorwerken,
abgesehen von den Forsten, Seen, Weinbergen, Husen Ackerlandes,
Wind- und Wassermühlen. Viele der Askanier suchten und fanden
hier ihre letzte Ruhestätte, ebenso manche reiche und vornehme Fremde.