Erzählende Prosa.
I. Geschichtliche Darstellungen. '
1. Friedrichs des Großen Regententatigkeit.
Von Gustav Frey tag. Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Leipzig, 1874.
Die ersten dreiundzwanzig Jahre seiner Regierung hatte Friedrich ge¬
rungen und gekriegt, seine Kraft gegen die Welt durchzusetzen; noch drei¬
undzwanzig Jahre sollte er friedlich über sein Volk herrschen als ein weiser
und strenger Hausvater. Die Ideen, nach denen er den Staat leitete, mit
größter Selbstverleugnung, aber selbstwillig, das Größte erstrebend und auch
das Kleinste beherrschend, sind zum Teil durch höhere Bildungen der Gegen¬
wart überwunden worden; sie entsprachen der Einsicht, welche seine Jugend
und Erfahrungen des ersten Mannesalters ihm gegeben hatten. Frei sollte
der Geist sein, jeder denken, was er wollte, aber tun, was seine Bürgerpflicht
war. Wie er selbst sein Behagen und seine Ausgaben dem Wohl des Staates
unterordnete, mit etwa 200 000 Talern den ganzen königlichen Haushalt be¬
stritt, zuerst an den Vorteil des Volkes und zuletzt an sich dachte, so sollten alle
seine Untertanen bereitwillig das tragen, was er ihnen an Pflicht und Last
auflegte. Jeder sollte in dem Kreise bleiben, in den ihn Geburt und Erziehung
gesetzt hatte: der Edelmann sollte Gutsherr und Offizier sein, dem Bürger ge¬
hörte die Stadt, Handel, Industrie, Lehre und Erfindung, dem Bauer der Acker
und die Dienste. Aber in seinem Stande sollte jeder gedeihen und sich wohl
fühlen. Gleiches, strenges, schnelles Recht für jeden, keine Begünstigung des
Vornehmen und Reichen, in zweifelhaften Fällen lieber des kleinen Mannes.
Die Zahl der tätigen Menschen vermehren, jede Tätigkeit so lohnend als
möglich machen und so hoch als möglich steigern, so wenig als möglich vom
Ausland kaufen, so viel als möglich selbst hervorbringen, den Überschuß über
die Grenzen fahren: das war der Hauptgrundsatz seiner Staatswirtschaft.