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Schwere Schläge. Alfred auf der Insel Athelney.
entgegenzustellen. Er erinnerte die Angelsachsen barem, baß auch ihre Vorfahren gewandt
unb mächtig zur See gewesen waren, und forderte sie aus, in allen Häsen Schiffe zu bauen,
damit sie mit ihnen die Mündungen der Ströme bewachten, um bie Dänen zu schlagen, be¬
vor sie noch ins Lanb kamen. Dies gelang unb eine ganze Flotte ber anrückeuben Feinbe
würbe vernichtet (877). Währenb bies aber im Westen geschah, fiel eine anbete Dänenschar
unter ihrem Anführer Ubbo im Norben von Englanb ein. Doch auch sie erlitt eine schwere
Nieberlage unb ber Sieg der Angelsachsen war um so uuheilbedeuteuder für die Däueu, weil
diese ihre Fahne verloren hatten. In diese Fahne hatten die drei Schwestern des schreck¬
lichen Ubbo den Vogel Odins gewebt, einen Raben, den die Dänen für lebend ansahen und
ans den sie die Blicke richteten, wenn sie eine Unternehmung lockte. Schien der Rabe zu
flattern oder die Flügel zu heben, so bedeutete es Heil unb Sieg für die Dänen, wenn er
sie aber senkte, so stand ein Unglück bevor.
Doch nur zu bald trafen schwere Schläge Alfreds Haupt. Er selbst war nicht ohne
Schuld baran. Im Anfang feiner Regierung scheint ber junge Monarch seine hohe Würbe
als eine Freisprechung von allem Zwange betrachtet unb sogar mitten unter feinen Kämpfen
gegen bie Dänen Muße gefunbeit zu haben, sich bem Ungestüm feiner Seibenfchaften zu über¬
lassen. Sittenlosigkeit unb Despotismus zogen ihm ben Tabel seines Vetters, bes heiligen
Neot, zu. Daß er hochmütig gegen seine Untertanen war, bie Gerechtigkeitspflege vernach¬
lässigte unb bie Klagen bes Dürftigen unb Unterbrückten mit Verachtung behanbelte, bezeichnet
Alfreb selbst als bie Quelle bes großen Unglückes, welches ihn im 8. Jahre seiner Regierung
zu Boden schlug. Die nimmer ruhenben Dänen waren norbwärts so weit tiorgebrungen unb
verheerten bas Laub mit solcher Gewalt, baß nur noch ber Gau ber tapferen Smmorfäten
ihnen nicht preisgegeben war. Auf viele feiner Untertanen, namentlich bie aus altbritifchem
Stamme, bürste Alfreb in biefeu Zeiten ber (Währung nicht zählen. Viele (Singeborne, von
Mangel unb Furcht getrieben, entflohen über bas Meer. Anbere zogen es vor, sich ben
grimmigen Heiben zu unterwerfen, unb verließen ben allein ftanbhaften König, ja empörten
sich wiber ihn. Hätte ihn bamals ein feinblicher Speer getroffen, hätte fein Mut sinken
können, so wäre ber Königsstamm wie die Freiheit in England erloschen; das Land wäre
die Beute der Seeräuber, wäre zur Wüste geworden.
Der arglistige Häuptling der Dänen, Gothrun, hatte seine Residenz zu Gloeester auf¬
geschlagen. Ein Winterfeldzug war bisher in den Annalen der dänischen Verheerungen un¬
erhört gewesen und es ist wahrscheinlich, daß Gothruns Krieger bie wahre Absicht ihres An¬
führers ebensowenig wußten als bie Sachsen. In ben ersten Tagen bes Jahres 878 er¬
hielten sie ben unerwarteten Befehl, sich an einem bestimmten Tage beritten bei ihm einzu-
finben, unb in ber Nacht bes 6. Januar waren sie im Besitze von Chippenham, einem könig¬
lichen Lanbsitze am linken Ufer bes Avon. Alfreb konnte nicht weit entfernt fein. Von Chip¬
penham aus zerstreute Gothrun feine Reiterei über bie benachbarten Grafschaften: bie Sachsen
würben vom Feinbe überrascht, ehe sie noch vom Kriege hörten, unb ber König sah sich ohne
Streitkräfte unb beinahe ohne Dienerschaft, von ben Barbaren umringt. Anfangs faßte er
ben raschen Entschluß, sich in bie Menge ber Feinbe zu stürzen; allein bie begönneren Rat¬
schläge seiner Freunbe hielten seine Verwegenheit zurück unb er willigte ein, sich für einen
minber gefahrvollen, größere Hoffnung gewähmtben Versuch aufzubewahren. Um keinen
Verbacht zu erregen, entließ er bie wenigen Thaues, bie noch bei ihm waren, unb trachtete
allein unb zu Fuß bas Innere von Somerfetfhire zn gewinnen. Dort fanb er eine sichere
Zuflucht auf einer kleinen Insel, bie in einem burch ben Zusammenfluß bes Tone unb bes
Parret gebildeten Sumpfe lag und in ber Folge durch ben Namen Athelney ober Prinzen