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Entstehung des Bernsteins. Die Töchter des Sonnengottes beweinten
den Tod ihres von Jupiters Blitzstrahl in den Eridanus gestürzten
Bruders, vier Monate lang am Grabe verweilend und heiße Thränen
vergießend. Endlich erbarmten sich ihrer die Götter und verwandelten
sie in Bäume. Aber als auch schon Rinde sie umhüllte,
,,Fließen noch Thränen heraus und erstarren, vom jungen Gezweige
Tropfend' bei Sonnenglut, zu Bernstein, welchen der helle
Strom aufnimmt und zum Schmuck den Töchtern Latiums sendet^.
Nach Schacht,
109. Der Sturmvogel.
Eine dumpfe Stille liegt auf dem Meere. Bleigrau umzieht sich
der Himmel. Dunkle Wolken ballen sich zusammen. Die Sonne ist durch
sie verdeckt, und es ist düster geworden, trotz der Mittagszeit. Die See
geht hohl; langgestreckte Wellen wälzen sich langsam dahin; weiße Schaum¬
streifen bezeichnen ihre Gipfel.
Vor dem kaum bemerkbaren Winde gleitet mit vollen Segeln ein
Schiff. Kein Land, kein anderes Fahrzeug, nicht einmal eine Möwe ist
zu sehen; allein, sich selbst überlassen, schwimmt die Brigg inmitten des
Weltmeeres. Ernst schaut der Schiffer in die Runde. Nach Westen
deutet der Steuermann, und besorgte Blicke werfen sich die Matrosen zu.
Der Befehl zum Einreffen der Segel jagt sie auf die höchsten Rahen.
Noch ist das schwere Werk nicht beendet, da füllen sich plötzlich die Segel
mit Gewalt, und der Wimpel zuckt, wie ein Blitz, lang über das Schiff.
Daher braust der Sturm! Lebendig wird das Meer; lebendig wird es
auf dem Schiffe. Heulend bäumen sich die Wogen auf, zürnend schleudern
sie ihren Gischt auf das Deck des Fahrzeuges. Dort rasseln die Taue
und Ketten, und das befehlende Wort wird kaum vernommen. Mit jeder
Minute nimmt die Windsbraut zu. Wild flattert das Haar des Schiffers;
mit dem Schaum der Wogen peitscht der Sturm sein Gesicht. Das Schiff
stöhnt und ächzt wie ein Mensch. Hoch erhebt es jetzt der Schwall des
Wassers, schwer sinkt es einen Augenblick später in die Wellentiefe hinab.
Mehr und mehr grollen die Wogen dem Erdgebornen. Immer höher
werden ihre Kämme, immer steiler ihre Wände, tiefer die Thäler zwischen
ihnen. Eine und die andere wälzt sich rauschend über das Schiff; jede
überflutet es wenigstens mit einem regenähnlichen Guß. Alle Farben
sind verschwunden, und nur ein einziges ungewisses Grau liegt auf dem
wütenden Meere.