Full text: (Für die dritte Klasse) (Abteilung B, [Schülerband])

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VI. Deutschtum im Aus lande. 
die ihnen zukommen würden. Aber darüber hinaus beseelte sie doch, bewußt 
oder unbewußt, das herrliche Gefühl, daß deutsche Art und Kraft der 
Welt etwas nütze sei und ihr Werte zuzubringen vermöge, die kein 
anderes Volk in gleicher Weise aus sich selbst erzeugen könne. Diese 
Entsendungen edelster Volkskräfte haben vom deutschen Kernlande aus 
nach allen Richtungen hin stattgefunden, zunächst innerhalb Europas, 
dann über das Meer hinweg in die neuentdeckten Erdteile. Noch ist 
diese deutsche Bewegung nicht zum Abschluß oder Stillstand gelangt. 
Tausende verlassen auch heute noch die Äeimat, obwohl die Zahl der 
Auswanderer gegen früher sehr stark abgenommen hat. 
Was ist aus all diesen Deutschen in der fremden Welt geworden? 
Nicht ohne schmerzliches Empfinden müssen wir bekennen, daß der weit¬ 
aus größte Teil gänzlich vernichtet oder in fremdes Volkstum restlos 
aufgegangen ist. Das königliche Volk der Goten ging in Italien, der 
rombesiegende Stamm der Vandalen in Nordafrika zugrunde; die wilden 
Franken frischten in Frankreich das schlaffe Volk der Kelten, die zähen 
Angeln und Sachsen in England die britische Urbevölkerung auf. Die 
Millionen Deutsche, die über See gingen, schufen in den fernen Erd¬ 
teilen ihrem Volke keine Kolonialländer wie die Spanier, Franzosen, 
Holländer oder Engländer. Es bestand eben keine Verbindung zwischen 
den Ausgewanderten und den Daheimgebliebenen. Im Schoße der alten 
Äeimat wurde der Streit um die kaiserliche und päpstliche Macht, um 
die Reformation, die französische Revolution und die Neubildung des 
Reiches durchgefochten: niemand konnte sich um die Brüder in der 
Fremde kümmern. Nur derjenige kleinere Teil der Ausländsdeutschen 
vermochte sein Volkstum zu erhalten, der sich in Europa nach Osten 
und nach Süden vorschob und trotz staatlicher Absonderung in tat¬ 
sächlichem Zusammenhange mit den deutschen Stammesgenossen verblieb. 
Die Balten in den Ostseeländern, edel und standhaft in der Abwehr, 
fühlten immer die kräftige Nähe des ostpreußischen Deutschtums, dessen 
Erhaltung wieder allein dadurch gesichert wurde, daß es sein weit¬ 
blickender Hochmeister an den eisenfesten Bestand des brandenburgischen 
Staatswesens knüpfte. Das österreichische Deutschtum, gedeckt und ge¬ 
stärkt durch die süddeutschen Stämme, erleichterte auch den Siebenbürger 
Sachsen und den Banater Schwaben in Ungarn die rühmliche Verteidigung 
ihrer deutschen Eigenart gegen die unrechtmäßigen Angriffe, die die 
Mißgunst minderwertiger Kulturen auf sie richtete. Die deutsche Schweiz 
ist auch heute noch, mit dem freilich viel verpönten Ausdrucke, kulturell 
und wirtschaftlich eine „deutsche Provinz", was jeder weiß, der die 
Wege kennt, die von dort in das Perz Deutschlands reichen. In
	        
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