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Rücker t.
9. Mit Pilgerstab und Muschelhute
Nach Osten zog ich weit hinaus;
Die Botschaft bring' ich euch, die gute,
Von meiner Pilgerfahrt nach Haus:
O zieht nicht aus mit Hut und Stabe
Nach Gottes Wieg' und Gottes Grabe!
Kehrt ein in euch und findet da
Sein Bethlehem und Golgatha!
1824.
355.
1. Chidher, der ewig junge, sprach:
„Ich fuhr an einer Stadt vorbei,
Ein Mann im Garten Früchte brach;
Ich fragte, seit wann die Stadt hier sei.
Er sprach und pflückte die Früchte fort:
-Die Stadt steht ewig an diesem Ort
Und wird so stehen ewig fort? —
Und aber nach fünfhundert Jahren
Kam ich desselbigen Wegs gefahren.
2. Da fand ich keine Spur der Stadt;
Ein einsamer Schäfer blies die Schalmei,
Die Herde weidete Laub und Blatt;
Ich fragte: Wie lang' ist die Stadt vorbei?
Er sprach und blies auf dem Rohre fort:
„Das eine wächst, wenn das andere dorrt,
Das ist mein ewiger Weideort."
Und aber nach fünfhundert Jahren
Kam ich desselbigen Wegs gefahren.
3. Da fand ich ein Meer, das Wellen
schlug,
Ein Schiffer warf die Netze frei;
Und als er ruhte vom schweren Zug,
Fragt' ich, seit wann das Meer hier sei.
1824.
io. O Herz, was hilft es, daß du knieest
An seiner Wieg' im fremden Land?
Was hilft es, daß du staunend siehest
Das Grab, aus dem er längst erstand?
Daß er in dir geboren werde,
Und daß du sterbest dieser Erde
Und lebest ihm, nur dieses ja
Ist Bethlehem und Golgatha.
Werke. VII, S. 166 f.
Chidher.
Er sprach und lachte meinem Wort:
„Solang' als schäumen die Wellen dort,
Fischt man und fischt man in diesem Port." —
Und aber nach fünfhundert Jahren
Kam ich desselbigen Wegs gefahren.
4. Da fand ich einen waldigen Raum
Und einen Manu in der Siedelei,
Er fällte mit der Axt den Baum;
Ich fragte, wie alt der Wald hier sei.
Er sprach: »Der Wald ist mein ewiger Hort;
Schon ewig wohn' ich an diesem Ort,
Und ewig wachsen die Bäum' hier fort.«
Und aber nach fünfhundert Jahren
Kam ich desselbigen Wegs gefahren.
5. Da fand ich eine Stadt, und laut
Erschallte der Markt vom Volksgeschrei.
Ich fragte: Seit wann ist die Stadt erbaut?
Wohin ist Wald und Meer und Schalmei?
Sie schrieen und hörten nicht mein Wort;
So ging es ewig an diesem Ort,
Und wird so gehen ewig fort.
Und aber nach fünfhundert Jahren
Will ich desselbigen Weges fahren."
Werke. III, S. 14 f.
356. Akendlied.
1. Ich stand auf Berges Halde,
Als heim die Sonne ging,
Und sah, wie überm Walde
Des Abends Goldnetz hing.
2. Des Himmels Wolken tauten
Der Erde Frieden zu,
Bei Abendglockenlauten
Ging Die Natur zur Ruh'.
3. Ich sprach: „O Herz, empfinde
Der Schöpfung Stille nun
Und schick mit jedem Kinde
Der Flur dich auch zu ruhn.
4. Die Blumen alle schließen
Die Augen allgemach,
Und alle Wellen fließen
Besänftiget im Bach.
5. Nun hat der müde Sylphe
Sich unters Blatt gesetzt,
Und die Libell' am Schilfe
Entschlummert taubenetzt.