Full text: [Teil 9 = Klasse 1, [Schülerband]] (Teil 9 = Klasse 1, [Schülerband])

72. Zur Charakteristik Rembrandts. 
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großartige Sprache des Nachthimmels: ein Regenbogen an ihm, damals als 
Zeichen des Todesfalles bekannt, und ein ferneres großes Licht, tausend Strahlen 
in sich sammelnd, gleich jenen Lichtstellen auf deut Jüngsten Gericht des Aller¬ 
heiligenbildrahmens und der Kleinen Passion, wohin die begnadeten Seelen 
eingehen. Ein Hauch von Humor endlich waltet vielleicht bei der Fledermaus, 
wenn wir bei ihr an die altbayrische Scherzbezeichnung Fledermaus gleich 
Steckbrief denken dürfen: ebendarunr nämlich trägt wohl das Kirchturmgeflatter 
hier die Inschrift des Bildes: Melencolia I; in dem großen Gefühl eines 
neuen Zustandes gedachte Dürer zuerst eine Reihe von Trauerblättern zu ver¬ 
öffentlichen. Und nun vergesse man alle diese Einzelheiten und lasse das ganze 
dunkle, vorn nur votl halben Lichtern gestreifte Blatt auf sich wirken. Denn 
aus all dem objektiven Reichtum, der hier zum Bilde zusammengesehen ist, 
tönt es uns wie ein Akkord entgegen: ein gewaltiges Denkergemüt an der 
Grenze seiner Macht! Ebenso erblicken wir in dem Stiche „Ritter, Tod und 
Teufel" das stärkste deutsche Symbol sittlicher Kraftanspannung bei religiöser 
Gewißheit. Rudolf Wustmann. 
72. Zur Charakteristik Rembrandts. 
a) Uernörandts Wealisrnus. 
embrandt ist ein Realist wie alle Holländer der großen Zeit; ja er geht 
in der Wirklichkeitsdarstellung noch weiter als seine Landsleute. Richt 
nur in der Treue und im Verständnis, mit dem er das Leben ergreift und 
wiedergibt, auch in der Rücksichtslosigkeit, mit der er es selbst in seinen 
gewöhnlichen Formen und Äußerungen und nicht selten auch in seiner Wider¬ 
wärtigkeit und Brutalität zum Ausdruck bringt. Unscheinbar und alltäglich 
sind fast alle seine Gestalten, und häufig begegnen wir solchen, die geradezu 
als häßlich bezeichnet werden müssen. Wie er sie in seiner Umgebung sah, 
verkümmert in den Formen, wie sie unter der schweren nordischen Tracht 
und unter den Mühsalen des Lebens sich entwickeln mußten, kleinlich und ge¬ 
wöhnlich in den Typen, mit einem Ausdruck, der von ihren Sorgen und 
Leiden erzählt, gerade so schildert er seine Leute. Für seine genreartigen 
Bilder wie für seine Darstellungen aus dem Leben Christi und der Geschichte 
der Patriarchen, ja selbst für seine mythologischen Kompositionen sucht er 
die Modelle in seiner nächsten Umgebung, unter den Seinen, unter seinen 
Bekannten, vor allem unter den armen Juden des Viertels, in dem er sein 
Haus hatte, und aus dem er nur selten herauskam. Mögen freilich seine 
heidnischen Götter und Göttinnen, wenn er sie ausnahmsweise einmal darstellt, 
in ihrer klassischen Schönheit und ihrem ursprünglichen Charakter dadurch 
Falk, Künoldt, Ltppelt, Lesebuch für höhere Mädchenschulen. IX. Teil. 24 
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