Full text: [Teil 9 = Klasse 1, [Schülerband]] (Teil 9 = Klasse 1, [Schülerband])

8. Der Hranz, das Symbol des Hellenentums. 31 
sich, und sowie sie, aus den engen Bergkantonen hervortretend, mit dem Meere 
in Berührung kommen, gewinnen sie Namen und Bedeutung. Null drängen 
sie die jenseitigen Stämme beiseite, nun gründen sie eigene Staaten — 
achäische, äolische, dorische -— und je mehr diese Staaten in Städten ihren 
Mittelpunkt finden, um so bestimmter prägt sich der Stämme Eigentümlichkeit 
in Verfassung, Kunst und Sitte aus, um so lebhafter entbrennt der große 
Wettkampf. Denn nun bilden sich nicht nur die Hauptunterschiede aus, die 
des dorischen und ionischen Wesens, sondern auch innerhalb der Stämme be¬ 
ginnt der Städte Wettkampf, namentlich bei den Ioniern, die nur in der 
mannigfaltigen Entwicklung ihre Befriedigung finden. 
Blicken wir auf die Küste Kleinasiens! Auf einem Raume, welchen 
man mit heutiger Geschwindigkeit in kurzer Tagesfahrt durchmessen könnte, 
erheben sich zwölf Städte nebeneinander, und jede Stadt ist eine Welt für 
sich. Niemals ist soviel Geschichte auf so engem Raume zusammengedrängt 
gewesen, niemals in regem Wetteifer der Kräfte so viel Energie entfaltet 
worden. Jede Stadt sucht ihren Beruf. Die eine ist landeinwärts gerichtet; 
sie ist beschäftigt, den Binnenhandel an sich zu ziehen, die reichen Flu߬ 
täler auszubeuteu, Lydien und Hellas zu verbinden. Die andern Städte sind 
ganz der See zugekehrt, untereinander wetteifernd, unbekannte Meere zu 
durchschiffen, neue Länder und Völker, neue Schätze der Erde zu entdecken. 
Zur Sicherung ihrer Handelsverbindungen gründen sie ihre überseeischen 
Faktoreien, diese erwachsen zu blühenden Tochterstädten, welche an den Ufern 
des Don wie an der Rhone und am Ebro die Pflanzschulen hellenischer 
Sitte wurden. 
Milet war die Königin der Meere, der Markt der Welt. Athen und 
Sparta waren Winkelstädte gegen Milet — ja das ganze Griechenland, das 
wir das eigentliche zu nennen pflegen, war an Wohlstand, Glanz und Welt¬ 
bildung von den westlichen und östlichen Kolonien weit überflügelt. 
Aber in diesem Gedeihen lag der Keim der Entartung. Und worin 
zeigte sich diese? In nichts anderm, als daß die üppigen Städte dem 
Grundzuge des hellenischen Lebens untreu wurden: der Wetteifer erschlaffte, 
die Spannkraft erlahmte in trägem Wohlbehagen des Genusses. Darum 
erblich der Glanz des schönen Joniens; ja des ganzen Stammes Geschichte 
hätte sich rasch zu Ende geneigt, wenn nicht Athen sie aufgenommen hätte. 
Die Armut war die Gespielin hellenischer Größe. Auf Attikas dürf¬ 
tigerem Felsboden hatte ionische Volkskraft sich gesund erhalten in der Ab¬ 
wechselung von Arbeit und Genuß, in der glücklichen Verbindung von Freiheit 
und Zucht, von Tapferkeit und Kunstpslege. 
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