14. Die Wirtschaftspolitik der Städte.
65
ausgeschlossen, ausgeschlossen besonders auch in dem Sinne, daß Unternehmer
nur der Handwerksmeister, der seine Lehrzeit durchgemacht hatte, sein durfte.
Die Zunftordnungen sprechen es geradezu aus: niemand soll durch „Knechte"
(Gesellen und Lehrlinge) ein Gewerbe ausüben lassen, das er nicht selbst ver¬
steht. Die Genossen sollten endlich auch hinsichtlich des Absatzes gleich stehn. 5
Die Zunftmitglieder durften einander nicht durch uuredliche Mittel zu über¬
vorteilen suchen. Deshalb war unschickliche Reklame verboten. In der Zeit,
als schon die Schaufenster üblich waren, begegnet die Bestimmung, jeder dürfe
nur in einem Fenster Waren ausstellen. Namentlich war auch der Verkauf
von nicht selbstgefertigten Waren untersagt, wie sich das ja bereits aus dem 10
Grundsatz ergab, daß die einzelnen Gewerbetreibenden keine bloßen Unter¬
nehmer, sondern Arbeiter sein sollten. Das allgemeine Verbot, dem Zunft¬
bruder in seinem Geschäft Eintrag zu tun, schloß insbesondere auch das Verbot
in sich, ihm Kunden abwendig zu machen. Bei manchen Zünften war es sogar
untersagt, von dem Schuldner eines Zunftgenossen sich eine Arbeit geben zu 15
lassen, bevor die letztere bezahlt war.
Diese Beschränkungen, denen man den einzelnen unterwarf, waren nicht
von moderner sozialistischer Art; denn sie dienten nur einem Mittelstände,
den Handwerksmeistern. Eben als Maßnahmen einer energischen Mittelstands¬
politik sind sie aufzufassen. Man hinderte den einzelnen an jener Macht-20
entfaltung, die ihn heute oft Königen gleichstellt; aber eine behagliche Wohl¬
habenheit aller Zunftgenossen hob den Stand der Gewerbetreibenden als Ge¬
samtheit zu Ansehen, Bildung und Macht. Dies ist die große soziale Leistung
der Zünfte im Mittelalter: die Herstellung und Erhaltung eines wohlhabenden
gewerblichen Mittelstandes. Dieselbe Politik hat auch für die Technik ihre 25
Vorteile gehabt: die Veredelung des Handwerks zur Kunst ist ihr Werk. Der
Handwerker war zugleich Künstler. Die großen Dome und stattlichen Rat¬
häuser des Mittelalters sind von Handwerksmeistern, nicht von gelehrten
Architekten erbaut worden; solche kommen erst im 16. Jahrhundert in Deutsch¬
land vor. Im Mittelalter trat der Meister, der heute noch eine Dombauhütte 30
selbständig geleitet hatte, am nächsten Tage, wenn hier seine Tätigkeit beendigt
war, unbedenklich bei einem andern Bau als mithelfender Arbeiter ein, um
später wieder die Leitung eines Baus zu übernehmen. Auch die kleinbürger- '
lichen Fachwerkhäuser lassen erkennen, in wie hoher Blüte das damalige Hand¬
werk stand; denn handwerksmäßig ist der viel bewunderte Schmuck der Giebel- 35
Häuser hergestellt worden. So zeigt sich auf allen Gebieten, in der Metallarbeit
wie in der Holzschnitzerei und dem Steinmetzgewerbe, die künstlerische Aus¬
bildung der damaligen Handwerker. In dem deutschen Kunsthandwerk, dessen
Falk, Künoldt, Lippelt, Lesebuch für höhere Mädchenschulen. IX. Teil. 5