Full text: [8. Teil = 2. Klasse, [Schülerband]] (8. Teil = 2. Klasse, [Schülerband])

293 
ZU Häupten; „Heil dir im Siegerkranz" erscholl es von den Musikkorps. 
Und wahrlich, die tiefe Bewegung des hohen Herrn selbst entfachte immer 
neue Zurufe! 
Der Kronprinz wollte der erste sein, der im neuen Reiche dem 
Kaiser huldigte: er beugte sich, vor seinem Herrn niederzuknien und ihm 
die Hand zu küssen; aber schnell hob der Vater ihn mit beiden Händen 
in seine Umarmung und küßte ihn auf beide Wangen; er reichte dann 
seinem Schwiegersöhne die Hand und dankte ihm mit warmen Worten 
für seine hilfreiche Unterstützung, ebenso ehrte er seinen Bruder, den 
Prinzen Karl, und die ihm verwandten Fürsten. Ehe aber noch die 
andern Fürsten huldigend sich ihm nahten, hatte vielmehr der Kaiser 
selbst sich ihnen zugewandt: er ging von einem zum andern, ihnen die 
Hand drückend, als danke vielmehr er einem jeden, daß er dieser Wieder¬ 
erneuerung des Reichs zugestimmt und zu des Vaterlandes Wohl auf 
Herrscherrechte verzichtet habe, und als füge er sich ihrem Rufe, trotz 
seiner hohen Jahre und seiner Anhänglichkeit an das Überkommene, in 
Gottes Namen. Wiederholt fuhr er sich mit dem Rücken der vom Hand¬ 
schuh bedeckten rechten Hand über die Augen, seine Tränen zu trocknen. 
Still, in tiefer Rührung sah die Versammlung dieser Begrüßung, 
dieser Verbrüderung zu. Unwillkürlich zog es jeden, die Nächststehenden 
zuerst, allen voran den Grafen von Moltke, dem Kaiser die Huldigung 
darzubringen. Es war nicht etwa eine Defiliercour — nichts derart 
war in der Festordnung vorgesehen — es war das ursprüngliche Ver¬ 
langen, die Gefühle des Herzens auszudrücken, was die Versammelten 
an die Stufen leitete: so traten, in Gruppen vereinigt, die Offizierkorps, 
so die Militärgeistlichen, ebenso aber einzelne vor, je nach der auf den 
Hochtritt zuflutenden Bewegung, verbeugten sich und schritten dann zur 
Seite. Aber diese Huldigung, unerwartet, unwillkürlich, wie sie geschah, 
konnte nicht von allen Anwesenden gewärtigt werden; ebendieselbe tiefe 
Bewegung, die aus der Versammlung ihm entgegenflutete, lenkte vielmehr 
die Schritte des Kaisers sehr bald in die Mitte der Seinigen; er stieg 
die Stufen hinab und nahm im Saale selbst Glückwünsche von allen 
Seiten entgegen; er wandte sich vornehmlich zu den mit dem Eisernen 
Kreuz geschmückten Mannschaften längs der Fensterwand, an die er be¬ 
sonders gnädige Worte richtete; er nahm auch Meldungen von denjenigen 
Offizieren entgegen, die am heutigen Festtage befördert waren. Gleich 
seinem Vater verweilte der Kronprinz im Saale, mit heiterem, herzlichem 
Wort jeden, den er ansprach, beglückend; schon die Anrede, die ein jeder 
zum ersten Male anzuwenden sich beeiferte: „Kaiserliche Hoheit", gab 
dem hohen Herrn zu mancher freudigen und leutseligen Äußerung Anlaß. 
Üm dieser unvorhergesehenen Verlängerung der Feier einen festlicheren 
Ausdruck zu geben, befahl der Kronprinz dem Musikkorps des Königs- 
Grenadierregiments, im Vorsaal Aufstellung zu nehmen und den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.