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ZU Häupten; „Heil dir im Siegerkranz" erscholl es von den Musikkorps.
Und wahrlich, die tiefe Bewegung des hohen Herrn selbst entfachte immer
neue Zurufe!
Der Kronprinz wollte der erste sein, der im neuen Reiche dem
Kaiser huldigte: er beugte sich, vor seinem Herrn niederzuknien und ihm
die Hand zu küssen; aber schnell hob der Vater ihn mit beiden Händen
in seine Umarmung und küßte ihn auf beide Wangen; er reichte dann
seinem Schwiegersöhne die Hand und dankte ihm mit warmen Worten
für seine hilfreiche Unterstützung, ebenso ehrte er seinen Bruder, den
Prinzen Karl, und die ihm verwandten Fürsten. Ehe aber noch die
andern Fürsten huldigend sich ihm nahten, hatte vielmehr der Kaiser
selbst sich ihnen zugewandt: er ging von einem zum andern, ihnen die
Hand drückend, als danke vielmehr er einem jeden, daß er dieser Wieder¬
erneuerung des Reichs zugestimmt und zu des Vaterlandes Wohl auf
Herrscherrechte verzichtet habe, und als füge er sich ihrem Rufe, trotz
seiner hohen Jahre und seiner Anhänglichkeit an das Überkommene, in
Gottes Namen. Wiederholt fuhr er sich mit dem Rücken der vom Hand¬
schuh bedeckten rechten Hand über die Augen, seine Tränen zu trocknen.
Still, in tiefer Rührung sah die Versammlung dieser Begrüßung,
dieser Verbrüderung zu. Unwillkürlich zog es jeden, die Nächststehenden
zuerst, allen voran den Grafen von Moltke, dem Kaiser die Huldigung
darzubringen. Es war nicht etwa eine Defiliercour — nichts derart
war in der Festordnung vorgesehen — es war das ursprüngliche Ver¬
langen, die Gefühle des Herzens auszudrücken, was die Versammelten
an die Stufen leitete: so traten, in Gruppen vereinigt, die Offizierkorps,
so die Militärgeistlichen, ebenso aber einzelne vor, je nach der auf den
Hochtritt zuflutenden Bewegung, verbeugten sich und schritten dann zur
Seite. Aber diese Huldigung, unerwartet, unwillkürlich, wie sie geschah,
konnte nicht von allen Anwesenden gewärtigt werden; ebendieselbe tiefe
Bewegung, die aus der Versammlung ihm entgegenflutete, lenkte vielmehr
die Schritte des Kaisers sehr bald in die Mitte der Seinigen; er stieg
die Stufen hinab und nahm im Saale selbst Glückwünsche von allen
Seiten entgegen; er wandte sich vornehmlich zu den mit dem Eisernen
Kreuz geschmückten Mannschaften längs der Fensterwand, an die er be¬
sonders gnädige Worte richtete; er nahm auch Meldungen von denjenigen
Offizieren entgegen, die am heutigen Festtage befördert waren. Gleich
seinem Vater verweilte der Kronprinz im Saale, mit heiterem, herzlichem
Wort jeden, den er ansprach, beglückend; schon die Anrede, die ein jeder
zum ersten Male anzuwenden sich beeiferte: „Kaiserliche Hoheit", gab
dem hohen Herrn zu mancher freudigen und leutseligen Äußerung Anlaß.
Üm dieser unvorhergesehenen Verlängerung der Feier einen festlicheren
Ausdruck zu geben, befahl der Kronprinz dem Musikkorps des Königs-
Grenadierregiments, im Vorsaal Aufstellung zu nehmen und den