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die Hauptrolle spielt. Er sitzt da mit andern fürstlichen Personen, 
die goldene Krone auf dem Haupte und das Zepter in der Hand. 
Sein Bart ist grau und lang gewachsen und bedeckt das goldene 
Brustschild seiner Kleidung. An Fest- und Ehrentagen wird der 
Bart in zwei gleiche Teile geteilt; der eine liegt auf der rechten, der andere 
auf der linken Seite, und jeder ist mit einem kostbaren Perlenbande 
umwunden. Der Kaiser hat ein scharfes und tiefsinniges Angesicht; 
er zeigt sich freundlich und leutselig gegen alle Untergebenen, die 
mit ihm auf einer schönen Wiese hin und her gehen. Warum er 
sich da aufhält, und was seines Thuns ist, weiß niemand; das 
steht bei den Geheimnissen Gottes. Aber elwas Großes muß es 
doch zu bedeuten haben. 
Nicht fern von Salzburg liegt eine große Ebene, das Walser 
Feld genannt. Auf dem Felde, so berichtet die Sage, steht ein 
Birnbaum, der schon mehrmals abgehauen wurde, aber immer 
wieder ausschlug und ein vollkommener Baum ward. Jetzt ist er 
verdorrt; aber er wird zu seiner Zeit wieder grünen. Und wenn 
er anfängt, Früchte zu tragen, dann wird sich ein schrecklicher 
Kampf erheben, ein Blutbad, wo den Streitenden das Blut vom 
Fußboden in die Schuhe rinnen wird. Es werden alle Bösen von 
den Guten erschlagen werden; der Kaiser aber wird seinen Wappen⸗ 
schild an den Baum hängen, und niemand wird wissen, was es 
zu bedeuten hat. 
Das sind abgeschmackte Märchen, sagt wohl mancher, der es 
liest oder hört. Aber es liegt doch oft ein tiefer Sinn in solchen 
Sagen, und diese hier wüßte ich wohl zu deuten. 
Wie war doch die Herrlichkeit des römischen Reiches, die Karl 
der Große und Friedrich der Rotbart gesehen und gegründet hatten, 
gesunken zu der Zeit, als Konradin, der letzte Sprößling aus dem 
Hause der Hohenstaufen, unter dem Beile des Henkers blutete, 
innerer Unfriede ganz Deutschland verzehrte und niemand ge— 
horchen, sondern jeder befehlen wollte! Da kleidete jemand in 
eine Sage, was er von jener Zeit dachte. Es ist, als ob er ge— 
sprochen hätte: Des Reiches Herrlichkeit ist dahin; aber ein zweiler 
Barbarossa wird auferstehen, und es wird auch für Deutschland 
eine bessere Zeit beginnen.
	        
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