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Burgtores der alten Stadt Athen gebaut ist. Oben darauf st
eine Siegesgöttin, welche mit ihren vier gewaltigen Rossen in die
Stadt einzuziehen scheint. Eine gerade, breite Straße führt von da
aus ins Innere der Stadt. Vier Reihen alter Linden geben ihr den
Namen, fast lauter Paläste sind die Häuser zu beiden Seiten, die
wie vornehme Diener den Herrn begleiten, denn am Ende der Straße
steht das Schloß des Königs Wilhelm. Vor seinen Fenstern ist
seinem Ahnherrn Friedrich dem Großen, den das Volk nur den alten
Fritz nennt, ein herrliches Denkmal errichtet, und bedeutende Bau—
werke, Zeughaus, Museum u. s. w. schließen einen weiten, mit schönen
Anlagen ausgestatteten Platz ein, auf dem das eigentliche Königs—
schloß steht, ein graues altertümliches Gebäude oder eigentlich ein
Viereck von Gebäuden mit über 600 Zimmern und Sälen. Auf
einer Seite stößt es an die Spree, und fieht von da aus mit Türm—
chen, Erkern und unregelmäßigen Gitterfenstern wie eine alte Ritter—
burg aus. Eine Kuppel mit goldener Krone darauf bezeichnet von außen
die Schloßkapelle. Darin ist der prachtvolle Rittersaal, in dem der
Thron unter purpurrotem Baldachin steht, und alle Wände von goldnem
Zierat glänzen. Größer noch ist der von seinen Marmorwänden so⸗
genannte weiße Saal, wo der Kaiser die Abgeordneten des Deutschen
Reiches zu empfangen pflegt.
Außer mit dem Friedrichsdenkmal ist der Schloßplatz geziert mit
den Bildsäulen der tapferen Generale von 1818 15, Blücher, Bülow
und Scharnhorst, die damals beitrugen, unser deutsches Land von der
auf ihm lastenden Franzosenherrschaft zu befreien. Über einen schmalen
Arm der Spree führt eine Brücke, auf der steht noch ein Reiterstandbild.
Ein mächtiger schwerer Hengst ist im Begriff, gefesselte Sklaven zu
zertreten, wird aber durch die feste Hand des Reiters gebändigt. Das
ist das Bild des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, Vater des
ersten preußischen Königs. Der war zuerst sich bewuͤßt worden, daß
Deutschland vom Einflusse der Fremden befreit werden müsse: gegen
Schweden und Franzosen trat er mutig in die Schranken, und man
kann wohl behaupten, daß, was heute sein Nachfolger erreicht hat,
von ihm ausgegangen ist.
Ganz Berlin wird durch die gerade, eine halbe Meile lange
Friedrichsstraße in zwei ungleiche Haͤlften geteilt. Ein sehr lebhafter
Verkehr findet hier statt und steigert sich noch in der Königsstraße und
den angrenzenden Stadtgegenden. Denn Berlin ist nicht nur Residenz
des Königs, nicht nur Hauptstadt des Staates, sondern zugleich die
erste Fabrikstadt Deutschlands, überhaupt eine der ersten Industriestädte
der Welt, die früher noch von Paris, jetzt nur noch von London über—
troffen wird. Wenn 1830 die Stadt nur 200 000 Einwohner zahlte
und jetzt weit über anderthalb Millionen hier versammelt find, so ist
das ein Aufschwung in 65 Jahren, der nicht oft seinesgleichen findet,
sich aber für die Hauptstadt des Staates paßt, der vor 200 Jahren nur