Full text: [[Abteilung 1] = Abteilung für Tertia und Untersekunda in einem Bande, [Schülerband]] ([Abteilung 1] = Abteilung für Tertia und Untersekunda in einem Bande, [Schülerband])

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A Erzählende Prosa. II. Geschichtliche Darstellungen. 
geschäftlichen Verkehr. Sein Bildungsgang war großenteils der eines Autodidakten 
gewesen; die frische Ursprünglichkeit seiner Natur hatte er weder durch mechanische 
Schulung noch durch äußerlichen Dienstzwang einschnüren oder umschleifen lassen. 
Auf der Universität hatte er bald den Besuch langweiliger Vorlesungen auf¬ 
gegeben und als flotter Korpsbursche alle Freuden der akademischen Freiheit 
gründlich genossen. Aber sein Dasein ging nicht wie bei so vielen im Korps¬ 
dienst aus und unter, um dann in geistlosem Philisterium trocken hinzuschleichen: 
sondern kein Tag erschien, an dem er nicht nach lehrreicher mid anregender 
Lektüre gegriffen und den aufstrebenden Gedanken Nahrung und Erfrischung 
geboten hätte. Schon als Knabe hatte er eifrig Geographie getrieben, welche 
Wissenschaft sich damals noch nicht zu der modernen Vereinigung von Frag¬ 
menten aller Naturwissenschaften entfaltet hatte, sondern sich wesentlich mit der 
Verteilung und den äußeren Zuständen der Menschen in den verschiedenen Ländern 
befaßte: Bismarck pflegte gern zu erzählen, wie früh ihm durch gründliches 
Studium der Karte von Deutschland mit ihrem Farbenreichtum von 39 ver¬ 
schiedenen Landesgrenzen die Erkenntnis der Naturwidrigkeit eines solchen Gebildes 
ausgegangen sei. Vor allein aber widmete er sich, wie nach einem Vorgefühl des 
künftigen Wirkens, historischen Studien. Nach der eigenen, weiteren Erfahrung 
sprach er den Grundsatz aus, für jeden Staatslenker sei ein richtig geleitetes 
Studium der Geschichte die wesentliche Grundlage des Wissens; hier allein sei 
zu lernen, was bei der Verhandlung mit anderen Staaten in jeder Frage er¬ 
reichbar sei; in der Fähigkeit aber, die Grenzen des Erreichbaren zu erkennen, 
sei die höchste Aufgabe der diplomatischen Kunst bezeichnet. 
Sein ganzes späteres Leben bildet einen praktischen Kommentar zu diesem 
Satze. Hier hat er sowohl die Kühnheit geschöpft, seine Ziele sich möglichst 
hoch zu setzen, als die Besonnenheit, niemals im Siegesräusche über die Grenze 
des Erreichbaren hinauszuschweifen. 
Nach den akademischen Jahren machte Bismarck eine kurze Probezeit.im 
Verwaltungsdienste durch; bald aber wurde ihm in den Bureaus die Luft zu 
eng, und er kehrte wieder ins Freie, auf einen Landsitz seiner Familie zurück, 
wo er sich als rüstigen Jäger, kühnen Reiter und tapferen Zecher, zugleich aber 
auch als sorgsamen Verwalter und tüchtigen Gutsherrn bewährte und bei aller 
brausenden Geselligkeit sein inneres Leben, wie seine Briefe zeigen, auf dem 
Grunde einer tiefernsten Religiosität zu voller Klarheit und Sicherheit ausge¬ 
staltete. Dann kamen die bewegten Jahre, welche auch ihn in den Strom der 
Politik hineinrissen. Im Vereinigten Landtag von 1847 sehen wir ihn feste 
Stellung in der Verteidigung der königlichen Intentionen einnehmen: gleich bei 
diesem ersten Auftreten zeigte er eine seltene Beherrschung der Sprache, eine 
klassische Formgewandtheit des Ausdrucks, eine nnversiegliche Schlagfertigkeit der 
Entgegnung. Charakteristisch war es schon an dieser Stelle, wie auch bei den Fragen 
der inneren Politik seine Gedanken, über die Grenzen des Staates hinüber¬ 
greifend, das Verhältnis zum Ausland erwogen. Den Nutzen der vorgeschlagenen 
Berlin- Königsberger Eisenbahn erkannte er an, nicht so sehr aus kaufmännischen 
und finanziellen als aus militärischen und politischen Gründen. In gleicher 
Weise mahnte er die Versammlung, sich nicht durch Mehrforderungen über das 
vom Könige Gebotene hinaus mit der Negierung zu überwerfen, sondern durch
	        
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