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um hineinzusehen, wer es wäre, schnapps, zwei Kerls von hinten an mich und
hielten mich bei den Armen unter Drohen still zu sein, oder es würde mich
das Leben kosten und setzten mir die Pistolen mit aufgezogenen Hähnen auf
die Brust. Ich sprach, ja, ihr Herren, ich will schweigen; dann ließen sie
die Tür offen. Behüte Gott! als ich hineinkam: was für ein Elend und
Jammer war in der Kirche? Nenn gesattelte Pferde meist von weißen
Haaren standen dort an einem langen Stuhl angebunden still und fraßen
ihr Futter aus Maulsäcken. Um das Feuer lagen elf Kerls, zum Teil
gekleidet wie die Wenden; bei einem andern kleinen Feuer lagen etliche
Feuerrohre und an zwanzig Banern oder andere Leute, welche mit Stricken
aneinander gebunden waren. O mein Gott, welch Angst und Schrecken!
Mich wundert, daß ich nicht in Ohnmacht gesunken bin, dieweil ich mir
anfangs in meinem Gewissen die Rechnung nicht anders machen konnte, als
daß die Knechte aus der Burg mich allda würden ertappt haben. Als aber
einige von ihnen auf mich zukamen und mich ganz leise fragten, wer ich
wäre und wo ich herkäme? da bedurfte es nicht viel Leugnens, denn ich ward
von einem, Battrawitz genannt, den ich früher mit 16 Dublonen aus der
Gefangenschaft gelöst hatte, gleich erkannt: das kam mir um soviel zugute,
als ich nicht gebunden wurde wie die andern, sondern nach abgelegtem Ver¬
sprechen nicht auszureißen habe ich bei ihnen am Feuer liegen und in der
Kirche herumgehen dürfen. Gern hätte ich gewußt, an welchem Orte ich
eigentlich wäre; ich hoffte in der Kirche irgend eine Inschrift zu finden,
konnte aber doch nichts als über einer Kirchtür in einem Stein diese zwar
verwitterten, aber noch erkennbaren Buchstaben entdecken: dominus vasalli.
Battrawitz rief mich zum Feuer und gab mir ein Stück Brot mit
diesen Worten: friß Bruder, du mußt jetzt reiten! Ich war trefflich froh,
denn der Bauch hatte mir meine Reise schon lange vorgeworfen. Nach einer
halben Stunde waren sie alle auf, ungefähr zwei Stunden vor Tag, und
ritten bei blinkendem Monde dem Gebirge zu. Battrawitz setzte mich hinter
sich; aber ein Jammer war es zu sehen, wie die andern armen Leute zu
Fuß nachgestoßen wurden mit Peitschen und Säbeln; hinter ihnen ritten
zwei, die sie forttrieben und auf der Seite zwischen vier Gebundenen je
zwei wohlbewehrte Soldaten zu Fuß. Als wir nun an vier Stunden in
das Gebirge hineingestampft waren, kamen wir in ein wildes Tal hinein;
es war bei zwei Stunden am Tage; daselbst suchten wir zwischen Hecken
wiederum Lager, und sogleich wurden zwei Schildwachen auf die höchsten
Bäume, von wo man auf die Straße sehen konnte, gesetzt, welche von
zwei zu zwei Stunden abgelöst wurden. Hier blieben wir bis drei Stunden
in die Nacht. Die gefangenen Leute litten große Not vor Hunger, so daß
deren einige Gras abrupften, um sich zu laben. Ich aber bekam des Tages
zwei Stück Brot, drei Knoblauch und ein wenig Salz, was mir Battrawitz
geben ließ. Da dachte ich: wie mancher Mann sitzt in_ großen sichern
Städten, ißt und trinkt alle Imbisse nach Belieben und Lust, schläft, wenn
er will, und denkt nicht einmal daran, wie große Gnade er von Gott habe,
und daß er ihm dafür danken müsse, weil er ihn vor so vielen Leuten hoch
gesegnet hat, die in Elend und Mangel müssen zuschanden gehen. Ich dachte
auch, wie klug ein Mensch tue, der sich, soviel sein Gewissen es duldet, alle
Welt zu Freunden mache: denn oft kann der Ungefährlichste dem Allergrößten
Schaden bringen, hingegen wer Wohltaten erweist, derselbe wird deren jeder-