Full text: [Teil 5 = Klasse 5, [Schülerband]] (Teil 5 = Klasse 5, [Schülerband])

— 190 — 
um hineinzusehen, wer es wäre, schnapps, zwei Kerls von hinten an mich und 
hielten mich bei den Armen unter Drohen still zu sein, oder es würde mich 
das Leben kosten und setzten mir die Pistolen mit aufgezogenen Hähnen auf 
die Brust. Ich sprach, ja, ihr Herren, ich will schweigen; dann ließen sie 
die Tür offen. Behüte Gott! als ich hineinkam: was für ein Elend und 
Jammer war in der Kirche? Nenn gesattelte Pferde meist von weißen 
Haaren standen dort an einem langen Stuhl angebunden still und fraßen 
ihr Futter aus Maulsäcken. Um das Feuer lagen elf Kerls, zum Teil 
gekleidet wie die Wenden; bei einem andern kleinen Feuer lagen etliche 
Feuerrohre und an zwanzig Banern oder andere Leute, welche mit Stricken 
aneinander gebunden waren. O mein Gott, welch Angst und Schrecken! 
Mich wundert, daß ich nicht in Ohnmacht gesunken bin, dieweil ich mir 
anfangs in meinem Gewissen die Rechnung nicht anders machen konnte, als 
daß die Knechte aus der Burg mich allda würden ertappt haben. Als aber 
einige von ihnen auf mich zukamen und mich ganz leise fragten, wer ich 
wäre und wo ich herkäme? da bedurfte es nicht viel Leugnens, denn ich ward 
von einem, Battrawitz genannt, den ich früher mit 16 Dublonen aus der 
Gefangenschaft gelöst hatte, gleich erkannt: das kam mir um soviel zugute, 
als ich nicht gebunden wurde wie die andern, sondern nach abgelegtem Ver¬ 
sprechen nicht auszureißen habe ich bei ihnen am Feuer liegen und in der 
Kirche herumgehen dürfen. Gern hätte ich gewußt, an welchem Orte ich 
eigentlich wäre; ich hoffte in der Kirche irgend eine Inschrift zu finden, 
konnte aber doch nichts als über einer Kirchtür in einem Stein diese zwar 
verwitterten, aber noch erkennbaren Buchstaben entdecken: dominus vasalli. 
Battrawitz rief mich zum Feuer und gab mir ein Stück Brot mit 
diesen Worten: friß Bruder, du mußt jetzt reiten! Ich war trefflich froh, 
denn der Bauch hatte mir meine Reise schon lange vorgeworfen. Nach einer 
halben Stunde waren sie alle auf, ungefähr zwei Stunden vor Tag, und 
ritten bei blinkendem Monde dem Gebirge zu. Battrawitz setzte mich hinter 
sich; aber ein Jammer war es zu sehen, wie die andern armen Leute zu 
Fuß nachgestoßen wurden mit Peitschen und Säbeln; hinter ihnen ritten 
zwei, die sie forttrieben und auf der Seite zwischen vier Gebundenen je 
zwei wohlbewehrte Soldaten zu Fuß. Als wir nun an vier Stunden in 
das Gebirge hineingestampft waren, kamen wir in ein wildes Tal hinein; 
es war bei zwei Stunden am Tage; daselbst suchten wir zwischen Hecken 
wiederum Lager, und sogleich wurden zwei Schildwachen auf die höchsten 
Bäume, von wo man auf die Straße sehen konnte, gesetzt, welche von 
zwei zu zwei Stunden abgelöst wurden. Hier blieben wir bis drei Stunden 
in die Nacht. Die gefangenen Leute litten große Not vor Hunger, so daß 
deren einige Gras abrupften, um sich zu laben. Ich aber bekam des Tages 
zwei Stück Brot, drei Knoblauch und ein wenig Salz, was mir Battrawitz 
geben ließ. Da dachte ich: wie mancher Mann sitzt in_ großen sichern 
Städten, ißt und trinkt alle Imbisse nach Belieben und Lust, schläft, wenn 
er will, und denkt nicht einmal daran, wie große Gnade er von Gott habe, 
und daß er ihm dafür danken müsse, weil er ihn vor so vielen Leuten hoch 
gesegnet hat, die in Elend und Mangel müssen zuschanden gehen. Ich dachte 
auch, wie klug ein Mensch tue, der sich, soviel sein Gewissen es duldet, alle 
Welt zu Freunden mache: denn oft kann der Ungefährlichste dem Allergrößten 
Schaden bringen, hingegen wer Wohltaten erweist, derselbe wird deren jeder-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.