108
22. Llldebrand und hadubrand.
wär' ich, wenn ich dir nun noch den Kampf weigerte, da dich dessen gelüstet.
Wenn deine Kraft langt, so gewinne dir die Rüstung dieses Greises; aber
ich denke, der Vater wird dem Sohn noch beweisen, daß er Zucht üben
kann."
5 Mit diesen Worten legte auch er den Speer ein, und Vater und Sohn
rannten aufeinander los. Aber die eschenen Lanzen beider zersplitterten an
den vorgehaltenen Schilden. Hildebrand, wie zornig er auch war, freute sich
des kraftvollen Stoßes, den sein Sohn geführt hatte, und daß er im Sattel
sich behauptete. Nun sprangen beide, der Alte und der Junge, mit gleicher
10 Gewandtheit von den Rossen und zogen ihre Schwerter, und es kam zu einem
harten Kampfe. Hildebrand hielt sich zwar anfangs zurück und suchte sich
nur wider die Hiebe seines Gegners zu decken, denn er wollte ihn nicht
verwunden, falls er es vermeiden könnte; aber Hadubrand drang mit so
grimmigen Schlägen und solcher Hitze auf ihn ein, daß auch Hildebrand
15 in Eifer geriet und die Hiebe erwiderte.
Endlich erlahmte die Kraft Hadubrands, und er wich zurück, um sich
auf seinen Schildrand zu stützen und auszuruhen; auch Hildebrand senkte
sein Schwert, obwohl er die Rast nicht nötig gehabt hätte. Wie sehr er auch
vom Kampf erregt war, schaute er jetzt doch mit wohlgefälligem Lächeln
20 auf seinen Sohn, dessen Tapferkeit und Mannhaftigkeit er bewunderte. „Man
merkt dir nicht an", sagte er, „daß du deinen Vater nie gekannt hast; deine
Mutter hat dich gute Schläge gelehrt, du bist im Waffenwerk wohl erzogen."
Doch Hadubrand rief dagegen: „Was sprichst du mir von Wohlerzogenheit?
Sollt' ich von Weibern lernen, das wäre mir Schande. Run schau, du alter
25 Graukopf, welche Streiche mich gute Helden gelehrt haben." Und damit
sprang er wieder auf seinen Gegner ein, und es rasselten die Schwerter auf
den Schilden, daß die Funken davon stoben.
Lange dauerte dieser neue Kampf, bis der Alte die Gelegenheit ersah,
mit der flachen Klinge seines Schwertes seinem Sohn einen Hieb auf den
30 rechten Arm zu geben, daß diesem das Schwert entfiel. Da stürzte sich
Hildebrand auf ihn, umfaßte ihn in der Mitte und schleuderte ihn hin ins
grüne Gras. Dann kniete er ihm auf die Brust nieder und sagte: „Wer sich
an alten Kesseln reibt, der wird schwarz, so geschieht dir jungem jetzt von mir
altem Manne. Run sprich, ob du dich als überwunden bekennst; sonst mußt
35 du zur Stelle dein Leben lassen." Vergeblich mühte sich Hadubrand, dem
eisernen Druck sich zu entziehen; dann rief er trotzig: „Stoß nur zu! Um
mein Leben sorge ich fortan nicht mehr, wenn eine so alte Graugans mich
überwunden haben soll."