Full text: [Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband]] (Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband])

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22. Llldebrand und hadubrand. 
wär' ich, wenn ich dir nun noch den Kampf weigerte, da dich dessen gelüstet. 
Wenn deine Kraft langt, so gewinne dir die Rüstung dieses Greises; aber 
ich denke, der Vater wird dem Sohn noch beweisen, daß er Zucht üben 
kann." 
5 Mit diesen Worten legte auch er den Speer ein, und Vater und Sohn 
rannten aufeinander los. Aber die eschenen Lanzen beider zersplitterten an 
den vorgehaltenen Schilden. Hildebrand, wie zornig er auch war, freute sich 
des kraftvollen Stoßes, den sein Sohn geführt hatte, und daß er im Sattel 
sich behauptete. Nun sprangen beide, der Alte und der Junge, mit gleicher 
10 Gewandtheit von den Rossen und zogen ihre Schwerter, und es kam zu einem 
harten Kampfe. Hildebrand hielt sich zwar anfangs zurück und suchte sich 
nur wider die Hiebe seines Gegners zu decken, denn er wollte ihn nicht 
verwunden, falls er es vermeiden könnte; aber Hadubrand drang mit so 
grimmigen Schlägen und solcher Hitze auf ihn ein, daß auch Hildebrand 
15 in Eifer geriet und die Hiebe erwiderte. 
Endlich erlahmte die Kraft Hadubrands, und er wich zurück, um sich 
auf seinen Schildrand zu stützen und auszuruhen; auch Hildebrand senkte 
sein Schwert, obwohl er die Rast nicht nötig gehabt hätte. Wie sehr er auch 
vom Kampf erregt war, schaute er jetzt doch mit wohlgefälligem Lächeln 
20 auf seinen Sohn, dessen Tapferkeit und Mannhaftigkeit er bewunderte. „Man 
merkt dir nicht an", sagte er, „daß du deinen Vater nie gekannt hast; deine 
Mutter hat dich gute Schläge gelehrt, du bist im Waffenwerk wohl erzogen." 
Doch Hadubrand rief dagegen: „Was sprichst du mir von Wohlerzogenheit? 
Sollt' ich von Weibern lernen, das wäre mir Schande. Run schau, du alter 
25 Graukopf, welche Streiche mich gute Helden gelehrt haben." Und damit 
sprang er wieder auf seinen Gegner ein, und es rasselten die Schwerter auf 
den Schilden, daß die Funken davon stoben. 
Lange dauerte dieser neue Kampf, bis der Alte die Gelegenheit ersah, 
mit der flachen Klinge seines Schwertes seinem Sohn einen Hieb auf den 
30 rechten Arm zu geben, daß diesem das Schwert entfiel. Da stürzte sich 
Hildebrand auf ihn, umfaßte ihn in der Mitte und schleuderte ihn hin ins 
grüne Gras. Dann kniete er ihm auf die Brust nieder und sagte: „Wer sich 
an alten Kesseln reibt, der wird schwarz, so geschieht dir jungem jetzt von mir 
altem Manne. Run sprich, ob du dich als überwunden bekennst; sonst mußt 
35 du zur Stelle dein Leben lassen." Vergeblich mühte sich Hadubrand, dem 
eisernen Druck sich zu entziehen; dann rief er trotzig: „Stoß nur zu! Um 
mein Leben sorge ich fortan nicht mehr, wenn eine so alte Graugans mich 
überwunden haben soll."
	        
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