23. parzival.
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Der Held ritt durch des Tores Gang
auf einen Burghof breit und lang,
der ganz mit Gras bewachsen war.
Ihn mied schon manch ein traurig Jahr
5 Ritterspiel und Rohgestampf,
fliegender Banner lustiger Kampf.
Doch er, der Gast, sah nichts von Leid;
denn zum Empfange dienstbereit
war eine Nitterschar zur Stätte;
10 Juugherrlein sprangen um die Wette,
ergriffen seinen Zügel
und hielten ihm den Bügel.
Er stieg vom Roß und trat ins Haus;
rasch zog man ihm die Waffen aus.
i5Er wusch sich, und sein Angesicht
erglänzt wie neuen Tages Licht.
Dann in arabischer Seide Pracht
ward ihm ein Mantel dargebracht. —
Hundert Lichterkronen hingen
20 im Königssaal, zu dem sie gingen;
von kleinen Kerzen strahlt die Wand.
Hundert- Ruhebetten fand
man rings im Kreise aufgeschlagen,
auf denen hundert Polster lagen.
25 Je viere saßen dort an Tischen,
mit einer Scheidewand dazwischen,
davor ein Teppich farbebunt.
Drei Marmorherde stehn im Rund
als Viereck kunstvoll aufgerichtet;
30 drauf liegt ein seltenes Holz geschichtet,
geheißen Lignum Aloe.
Man trug den Burgherrn auf ein
Bette
nah bei der mittlern Feuerstätte.
35 Ihm war vom Glück Valet gegeben;
ein qualvoll Sterben war sein Leben.
Und doch empfing er voller Gnaden
den lichten Gast, den er geladen;
zu sich setzt' huldreich er den Degen.
Er brauchte seines Siechtums wegen 40
große Feuer, warm Gewand;
daher umhüllt ihn mancherhand
gedoppelt Pelzwerk weit und lang,
das er sich um die Glieder schlang.
Gedoppelt war auch an der Mütze 45
der Zobel, daß sein Haupt er schütze,
die einer Borte Gold umspann,
ein Glanzrubin als Knopf daran.
Still saßen rings der Ritter Reihn;
da plötzlich zog der Jammer ein. 50
Ein Knappe kam zum Saal gerannt
mit einer Lanze in der Hand,
die aus der Schneide Blut ergoß,
das ihm bis an den Ärmel floß,
und durch den weiten Palas scholl 55
Geschrei und Weinen jammervoll.
Die Wände trug er sie entlang,
bis er hinaus zur Türe sprang,
durch die er sie hineingetragen.
Da stillte sich des Volkes Klagen. 60
Im Hintergrund zum andernmal
erschließt sich eine Tür von Stahl.
Da kommt ein lieblich Mädchenpaar,
den Kranz im langen blonden Haar.
Sie tragen Kerzen hellentbrannt 65
auf goldenen Leuchtern in der Hand.
Ein anderes Paar folgt diesen zwein
mit Tischgestell aus Elfenbein.
Ihr roter Mund glüht minniglich.
Alle vier verneigen sich, 70
und von den zweien werden jetzt
die Stollen vor den Herrn gesetzt.
Dann tritt die holde Schar beiseit;
sie stehn im braunen Scharlachkleid
von gleicher Färb' und gleichem 75
Schnitte,