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24. was das H>eidegrab erzählte.
noch um Jagdtiere für den Winter, und war also, wie alle Erfinder, leicht¬
sinnig, unpraktisch und dem Winter nicht gewachsen.
So bastelte er und probte er den ganzen Sommer. Wenn aber der
Winter da und der Hunger groß war, sprang er im eiligsten Laufe durch
5 Schnee und kalten Ostwind — denn sein Wolfsfell war dünn und schäbig
— zu der Hütte, die zu unterst am Bach lag. Dort wohnte ein Graubart,
der den ganzen Sommer nichts anderes tat, als daß er auf sein Gerstenfeld
in der Sonne paßte und auf seine Schweineherde unter den Eichen, und im
ganzen Winter nichts anderes, als daß er diese Gerste in einem großen
10 Suppentopf kochte und austrank und vom Herdfeuer sich aufrichtend, nach
oben in den blaugrauen Dunst langte, wo breite und schwere Speckseiten
hingen. Dort lag der Bootsmann den ganzen Winter, zwischen Feuer und
Rauch, kochender Gerste und Speckseiten und führte tiefsinnige Gespräche:
ob Thors Hammer von Gold oder von Erz wäre . . ., ob auch die in
15 Wodans Halle kämen, die jung in der Hütte stürben, ohne tapfere Taten
getan zu haben . . ., ob die Menschen es noch einmal so weit bringen
würden, daß sie ein Boot bauen könnten, so groß, daß es hundert Menschen
trüge, und dergleichen mehr.
Wenn aber die ersten Frühlingstage kamen, tauchte der Bootsmann
20 aus dem Ranch auf, stieg in den Bach, wusch sich Rauch und Fettkruste
ab, die sich beim langen Liegen angesetzt hatte, und ging, glänzend blank
und mit straffer Haut, wieder an seine Arbeit.
Einmal nun, mitten im Arbeiten, kam ihm ein großer Gedanke. Der
Gedanke kam so auf ihn herabgeschossen, daß er nach dem Häher aufsah,
25 der gerade über ihn wegflog, als hätte der ihn fallen lassen. Er wollte
ein ganz anderes Boot bauen, er wollte schlanke junge Stämme in Boot¬
rundung biegen, mit Riemen schnüren und mit Ochsenfell überkleiden und so
ein großes, leichtes, bisher unerhörtes Boot gewinnen. Er baute den ganzen
Sommer daran und war zuweilen so mutlos, daß er den Kopf zwischen
30 die Kniee steckte, und war zuweilen so ausgelassen, daß er unl das Holz¬
gerippe tanzte. Alle waren neugierig, was das wohl werde. Die meisten
lachten ihn aus. Die Mädchen kamen, und jede für sich sagte: „Es wird
sehr schön, Bootsmann!" Wenn sie aber alle beieinander waren, sagten
sie alle: „Es wird nichts."
35 An einem ruhigen Herbsttage schleppte er das neue Boot ins-Wasser.
Sie standen alle am Ufer und sahen zu. Und wie es so geht: der erste
Versuch mißlang, es hing schief, es tanzte wie ein Blatt im Winde, cs
schlug um. Er mußte weit und mühsam schwimmen. Am Ufer wurde er