15. Entstehung der Welt.
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II. Nordische und deutsche Sagen.
15. Entstehung der Welt.
(\n uralten Zeiten, als noch Himmel und Erde und Götter und Menschen
*0 nicht da waren, entstand fern im Süden Muspelheim: die Welt der
heißen Sonne, des Feuers. An der Grenze von Muspelheim sitzt Surtur 5
mit flammendem Schwerte und schützt sein Reich, und am Ende der Welt
wird er kommen, die Götter besiegen und die Welt mit Feuer verbrennen.
Im hohen Norden aber war Nifelheim: die Heimat des kalten Winters,
des ewigen Eises, der Nebel und der Finsternis. Und ein Brunnen war in
Nifelheim, der hieß Hwergelmir: der rauschende Kessel. Aus ihm kamen io
zwölf Ströme, die flössen nach Süden und erstarrten zu Eis. Da nun
immer mehr Wasser herzuströmte, so legte sich eine Eisdecke über die andere,
und schauerliche Finsternis lag auf den toten Eisfeldern in Nifelheim.
Und es kamen Feuersunken von Muspelheim geflogen, die fielen in
Nifelheim nieder und erwärmten die starrenden Eisströme, da entstand aus 15
ihnen der Riese Dmir.
Auch kam aus den erwärmten Eisblöcken die Kuh Audhumbla hervor,
von deren Milch sich Mir ernährte. Eines Tages schlief der Riese, da wuchs
ihm unter einem Arm ein Sohn und unter dem andern eine Tochter, und
von diesen stammt das ganze Geschlecht der Frostriesen. 20
Die Kuh Audhumbla leckte an den salzigen Eisblöcken, und siehe! da
kam ein Mann aus ihnen hervor, der hieß Bur, und sein Sohn war Bör.
Und Bör nahm eine Riesentochter zur Frau und hatte drei Söhne: Odin,
Hönir und Loki. Nicht lange, , so wurden die drei Brüder stark und mächtig,
und sie zogen aus zum Streite gegen den alten Riesen Mir. Ein furcht-25
barer Kampf entbrannte; Amir wurde getötet, und es floß so viel Blut aus
seinen Wunden, daß darin alle Frostriesen ertranken; nur einer von ihnen,
namens Bergelmir, rettete sich mit seinem Weibe auf einem Boot, und von
diesem stammen alle späteren Riesengeschlechter.