Full text: [Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband])

Simrock: Aus dem Gudrunliede. 
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19. Als da König Hettel so wunderkühn ersah 
Herwig, den stolzen, im Kampfe sprach er da: 
„Die mir zum Freunde nicht gönnten diesen Necken,, 
Die kannten ihn noch wenig: durch Panzer tiefe Wunden schlügt der Kecke." 
20. Gudrun, die schöne, sah und vernahm den Schall; 
Das Glück ist rund und dreht sich im Kreise wie ein Ball. 
Da den Streit nicht anders die Schöne konnte scheiden, 
Dem Vater und dem Gaste wünschte sie, was sie nicht hehlte beiden. 
21. Sie rief mit lauter Stimme zu ihnen aus dem Saal: 
„Hettel, hehrer Vater, nun fließt hin zu Thal 
Das Blut durch die Ringe: davon sind uns die Mauern 
Besprengt allenthalben: bei solchem Nachbarn ist nicht auszudauern. 
22. Mir zuliebe denket auf Frieden beiderseits. 
Nun schafft eine Weile Stillstand dieses Streits 
Den Herzen und den Gliedern, daß auf meine Frage 
Herwig, der Fürst, uns von seinen höchsten Sippen Kunde sage." 
23. Da sprach der edle Ritter: „Der Friede mag nicht sein, 
Ihr laßt mich ungewaffnet denn, Frau, zu Euch herein: 
So will ich Euch Kunde von meinen Sippen sagen; 
Soll der Friede gelten, so mögt Ihr, was Ihr immer wollt, mich fragen." 
24. Da ward der Kampf geschieden zulieb der schönen Maid. 
Sie gossen aus den Ringen die Glieder müd vom Streit. 
Vom Rost des Eisens ließen sie sich am Brunnen klären; 
Den wohlgethanen Helden sah man gern noch das Leben währen. 
25. Mit hundert seiner Degen ging er hin und fand 
An der Mutter Seite von Hegelingenland 
Gudrun, die ihn freundlich empfing mit ihren Frauen; 
Der Ritter, kühn und edel, möcht ihr noch nicht völlig vertrauen. 
26. Die Gäste hieß da sitzen das weidliche Kind. 
Herwigs Kühnheit machte sie längst ihm hold gesinnt; 
Nun auch durch edle Sitte behagt' er ihnen beiden: 
Hilden und ihrer Tochter riet man, bald diesen Zwist zu scheiden. 
27. Herwig sprach zur Frauen: „Man hat mir gesagt 
(Vielleicht daß es Euch reue nach dem, was ich gewagt), 
Daß Ihr mich verschmähtet geringer Ahnen wegen; 
Doch finden oft bei Armen reiche Leute desto beßre Pflege." 
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