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linken Rheinseite wird zur Öffnung der Wingerte morgens sieben Uhr
und zum Schluß abends etwa sechs Uhr das Zeichen mit den Kirchen¬
glocken gegeben. Schüsse und Glockenschläge mischen sich mit den Jauch¬
zern der heimkehrenden Winzer, das Echo dieses Lebens und Treibens
hallt in den Bergen wieder, über uns steigen Raketen ans, und benga¬
lisches Feuer erleuchtet unsern Heimweg:
Tr kommt zur Welt auf sonnigem Stein, ,
Hoch über dem Rhein, hoch über dem Rhein,
Und wie er geboren, da jauchzt überall
Dm ^ande Trompeten- und j)aukenschall,
Da wehen mit lustigen Flügeln
Die Fahnen von Burgen und Hügeln.
Aug. Sactj. (Nach heyl.)
85. Der Kölner Dom.
Der Kölner Toni ist als das herrlichste und bedeutendste Bauwerk
Deutschlands zu preisen. Majestätisch ist seine Anlage, riesig sind seine
Verhältnisse. Er ist nicht die Erfindung eines Meisters, der in ein¬
samer Höhe über den Wünschen und Bestrebungen seiner Zeit dastand,
sondern das Werk einer ganzen Reihe von Geschlechten:, die, ihre Ge¬
danken mit stets erneuerter Kraft dem einen großen Plan zuwendend»
die Bedeutsamkeit desselben immer klarer und freier, in stets mehr ge¬
läuterter innerer Schönheit zu entwickeln vermochten. Ein Werk des
deutschen Volkes, ist der Kölner Tom das erhabenste Denkmal deutschen
Geistes, soweit das Bereich sichtbarer Formen geht.
Zur Hohenstaufenzeit, als Handel und Gewerbe, Kunst und Wissen¬
schaft in hoher Blüte standen, wurde der Plan zum Bau des Domes
gefaßt, und am 15. August 1248 wurde der Grundstein gelegt. Über
dem Meister, der den Plan entwarf, schwebt auch heute noch ein geheim¬
nisvolles Dunkel; die neuesten Forschungen nennen einen Meister Ger^
hard von Riel als den ersten Leiter des Baues. Im Jahre 1322 war
das Chor mit dem Allerheiligsten vollendet, und erst ein Jahrhundert
später stieg der eine Turm zur halben Höhe empor. Aber die Wirren
der Zeit waren dem Fortgang des Baues wenig günstig. Je mehr die
Pfeiler stiegen und die Schwibbögen sich reiften, desto tiefer sank der
Stern des Reiches und die Wohlfahrt der Stadt, desto spärlicher flössen
die Mittel; uni 1560 ruhten Hammer und Meißel vollständig. Die Zeit
nagte am Gestein; die Pfeiler im Schiff waren ein Wald von Säulen,
die ein rauher Windsturm im Wachstum plötzlich erstarren ließ. Bis
zum Gewölbe ragten sie empor, trugen aber nichts als den Notbehelf
des bretternen Verschlusses.
So blieb der Dom unvollendet und mußte, von innen und außen
geplündert, zur Franzosenzeit sogar als Heumagazin dienen.
Mit dem Aufschwung des nationalen Lebens nach den Freiheits¬
kriegen fällt auch das Wiedererwachen der Liebe für die Schöpfungen det
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