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dem bunten Wechsel des organischen Lebens die treibende Kraft nur aus
dem ewigen großen Vorräte des Weltalls herzuleiten.
Dies erhabene Bild des Zusammenhanges aller Naturvorgänge ist in
neuerer Zeit oft ausgemalt worden,' ich brauche hier nur an seine großen
Züge zu erinnern. Wenn die Aufgabe der Naturwissenschaften darin be¬
steht, die Gesetze zu finden, so ist hier in der Tat ein Schritt nach vorwärts
von umfassendster Bedeutung geschehen.
Hermann von helmholtz.
Die ästhetische Naturauffassung.
62. Atmosphäre und Himmel.
va die Erde nur einer der unzähligen im unendlichen Naume rotierend
schwebenden Weltkörper ist, so gewährt sie überall einen Ausblick in den
allerwärts hin gleichförmig sich erstreckenden und daher sich scheinbar rund
um uns her wölbenden Weltraum oder Himmel. Was wir in ihm er¬
blicken, ist teils noch die Atmosphäre der Erde selbst, die Wolkenregion,
teils der Zentralkörper des kosmischen Systems, welchem wir angehören,
die Sonne, und ihr Gegenbild, die ihr gleichgroß erscheinende Scheibe des
Mondes. Bei Tage schließt sich der Ausblick ins Universum hiermit ab,'
ist aber der blendende Sonnenglanz auf die andere Trdhälfte hinüber¬
getreten, so werden am Himmel jene unzählbar vielen größeren, kleineren
und kleinsten, rötlich, weißlich, grünlich leuchtenden Punkte, die Sterne,
sichtbar, welche menschliche Phantasie Jahrtausende hindurch für über¬
irdische, lebendig sich bewegende Wesen hielt, wogegen die Wissenschaft sie
uns nur als andere Sonnen und Planeten, als ein im Ozean des Baumes
schwimmendes, unabsehbares Weltenmeer kennen gelehrt hat,' ihnen ge¬
sellt sich auch der Mond wieder zu, indem er doch erst dann wirklich
leuchten kann, wenn die Sonnenstrahlen aufhören, seinen Glanz zu einem
ganz blaßtrüben Scheinen herabzudrücken.
Betrachten wir zuerst den Taghimmel, so erscheint er, wenn er nicht
durch Nebel und Gewölke oder durch Regengüsse getrübt ist, spezifisch heiter,
ja festlich durch die Lichtfülle, welche vom Tagesgestirn ausströmt und
alles in Helligkeit und Glanz kleidet (freilich mit großen Unterschieden
der Zonen und Jahreszeiten). Die Wärme, welche mit ihr kommt, bringt
zugleich allerorten das frohe Gefühl ungehemmter und voller Lebens¬
entfaltung mit sich, wofern nicht entgegenstrebende Kälte dieses Lebens¬
gefühl zurückdrängt oder Hitze unheimlich bedrohlich wirkt; aber auch wo
dieses der Jall ist, ist die Herrlichkeit des Lichtes da und mit ihr auch die