Full text: [2 = Ober-Tertia, [Schülerband]] (2 = Ober-Tertia, [Schülerband])

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wollten, auch mit eigener Kleidung und Schuhen versehen, mit Schwert und 
Spieß oder Hellebarde oder gar mit einer Hakenbüchse wohlbewehrt wären, 
sich getrost zu dem Fähnlein des Hauptmanns N. N. stellen sollten und 
einer freundlichen Behandlung gewärtig sein möchten". Zugleich mit dieser 
Aufforderung ward bekannt gemacht, welcher Lohn gezahlt werden sollte, und 
an welchem Orte sich die der Werbung Folgenden vor dem Musterherrn zu 
stellen hatten. Die vorläufig in die Musterrolle Eingeschriebenen erhielten 
ein Handgeld gleichsam als Neisepfennig für den Weg bis zu dem Orte der 
Musterung, daher man es auch das „Geld auf den Lauf" nannte. 
Wenn die Haufen der Geworbenen an dem festgesetzten Orte einge¬ 
troffen waren, hielt der Musterherr Musterung, ein erfahrener Kriegsmann, 
der mit scharfem Auge etwaige Mängel an Kleidung und Bewaffnung zu 
entdecken im stände war, und der einen Musterschreiber zur Seite hatte. Auf 
freiem Felde ward aus drei Spießen ein Joch gebildet, so daß zwei derselben 
mit dem Schaft in der Erde staken, der dritte aber über die beiden ersten 
gelegt war. Durch dieses Joch mußte jeder der Geworbenen gehen, und 
der Musterherr stand mit prüfendem Blick dabei. Wer mit Kleidung und 
Ausrüstung vor dem Musterherrn bestand, wurde von dem Musterschreiber 
in die Rolle geschrieben. Jedes Fähnlein sollte 400 gesunde und wohlge¬ 
bildete Knechte zählen; einhundert, die in die erste Reihe oder in das „erste 
Blatt" gestellt wurden, sollten Übersöldner sein, d. h. solche, denen um ihrer 
besseren Ausrüstung willen höherer Sold gezahlt wurde. Solche mußten 
mit eiserner Sturmhaube, Panzerärmeln, Beinschienen, Brust- und Rücken¬ 
panzer versehen sein. Wer mit einer Hakenbüchse bewaffnet war, erhielt 
doppelten Sold, ward Doppelsöldner; denn die Hauptwaffe der Landsknechte 
war der lange Spieß, und selbst im Dreißigjährigen Kriege waren noch 
keineswegs alle Söldner mit Schießgewehr versehen. 
Wenn die geworbenen Fähnlein zum ersten Male vor dem Feldobersten 
erschienen, bildeten sie einen Ring, und es ward dann der Artikelbrief ver¬ 
lesen, der die Bestimmungen über Rechte und Pflichten der Knechte enthielt. 
Diese waren im wesentlichen folgende: Erstens dem kriegführenden Herrn, 
Kaiser oder Fürsten, getreu zu dienen, sowie dem durch ihn verordneten 
Obersten, den Hauptleuten und andern Kriegsämtern; Gott und seine Heiligen 
nicht zu lästern; Frauen, alte Leute, Priester und andere Geistliche sowie 
Kirchen zu ehren und zu beschirmen; dreißig Tage für einen Monat zu 
dienen und dafür als einen einfachen Sold vier rheinische Gulden zu 
empfangen; Geduld zu haben, wenn die Löhnung nicht gleich zur Stunde da 
sei, und bei möglicher Verzögerung nichtsdestoweniger Wache und Pflicht 
zu versehen; nach einer gewonnenen Schlacht, wenn zu derselben die Knechte 
förmlich durch des Obersten Trompeter aufgefordert sind, solle der laufende 
Feldmonat als beendigt angesehen werden und neue Löhnung beginnen. 
Lesebuch für höhere Lehranstalten. IV, 2. 4. Ausl. 11
	        
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