11
von Sagen der Teufel einen Bund mit Menschen; er sichert ihnen seine
Hilfe bei allen Unternehmungen zu, sie „verschreiben ihm ihre Seele". Wie
Odin das ihm verfallene Leben des Helden, der sich ihm geweiht hat, ein¬
fordert, so stellt sich auch der Teufel pünktlich ein, sobald die Vertragszeit
abgelaufen ist, um die „arme Seele" in Empfang zu nehmen.
Ebenso finden sich in deutschen Märchen noch Anklänge an die Wodan¬
verehrung. Der breite Hut des Gottes wird zu einem zauberkräftigen Wünschel-
hut, der den Menschen durch die Luft rasch dahin versetzt, wohin er sich
wünscht, und hier, eine Erinnerung an den Kriegsgott Wodan, aus seinen drei
Ecken unaufhörlich Schüsse knallen läßt, wie in „des kleinen Hirten Glücks¬
traum" erzählt wird. Der Speer Wodans ist schließlich zum „Knüppel aus
dem Sack" geworden, und auch sein siegreiches Schwert kehrt in dem ge¬
nannten Märchen wieder, wo es dem Ritter augenblicklich ein Regiment
Soldaten schafft, wenn er es in die Erde stößt; und Wodan schrumpft im
Laufe der Zeiten im Märchen zum kleinen „grauen Männchen" zusammen,
das einmal sogar noch zwei Wolfshunde zu Begleitern hat.
Als im Mittelalter die Heiligen der christlichen Kirche allmählich die
heidnischen Götter verdrängten, da nahmen sie doch von diesen mancherlei
Züge an. Der Erzengel Michael trat vielfach an Wodans Stelle; an den¬
selben Plätzen, meist Bergen, wo Wodan verehrt worden war, erhoben sich
Kapellen des Erzengels Michael; St. Michaels Tag trat an die Stelle des
früher dem alten Himmelsgott Wodan als Spender der Ernte geweihten
Erntefestes. Der heilige Martin erhielt Wodans Mantel und Schimmel.
St. Nikolaus endlich trat an Stelle des im Dezember umziehenden Wodan;
auf einem Schimmel oder auch als Knecht vermummt zieht er um und be¬
schenkt die Kinder; als Gegengabe stecken diese Heu in die Schuhe, die sie
vor die Tür stellen, damit der Schimmel des freundlichen Spenders auch
etwas zu fressen habe.
So lebt Wodan noch heute in unserem Volke fort.
Adolf Lange.
(Deutsche Götter- und Heldensagen. Leipzig, B. G. Teubner, 1003.)
2. Donar-Thor.
1. Der nordische Thor.
Nächst dem allwaltenden Himmelsgotte Odin ragt hoch über alle andern
Götter an Macht und Kraft Thor, der Donnergott; nach der Edda ist er
ein Sohn Odins und der Erdgöttin Jörd. Er wird dargestellt als eine
vollkräftige Mannesgestalt, mit langem, rotem Barte und feurig blitzenden
Augen; zürnt er, so spricht er in seinen roten Bart oder schüttelt ihn;
dann durchzucken grell leuchtende Blitze die Luft, und Donnerkrachen schallt
durch die Wolken.