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wegen seines erstaunlichen Fleißes, sondern auch hauptsächlich seines sanften,
zuvorkommenden Wesens, seines tadellosen, frommen Wandels halber.
Als er die Schule verließ, nahm ihn sein Vater zu sich in die Lehre,
damit er gleich ihm ein tüchtiger Goldschmied werden möchte. Albrecht
legte frisch Hand ans Werk; aber sein Genius nahm bald einen höheren
Flug, und still im Innern hegte er den heißen Wunsch, das Handwerk zu
verlassen und der edlern Kunst der Malerei sich widmen zu dürfen. Endlich
wagte er es, schüchtern dem Vater seine Neigung zu entdecken; doch als er
sah, wie dieser nicht gern darauf einging, unterdrückte er mit kräftigem Ent¬
schlüsse seine brennende Sehnsucht und wollte aus Liebe zum Vater nicht
dessen Willen widerstreben. Emsiger als je lag er nun seinem Geschäfte ob,
und er gewann durch seinen rastlosen Fleiß bald eine solche Geschicklichkeit,
daß er schon in seinem 16. Jahre ein äußerst kunstreiches Werk in ge¬
triebener Arbeit von Silber, die Leiden Christi darstellend, verfertigt haben
soll. Alle Welt lobte ihn und bewunderte seine Arbeiten; aber Albrecht
blieb kalt und teilnahmlos bei allem Preise seiner Kunstfertigkeit; die Lob¬
sprüche waren für ihn kein Sporn, auf dem betretenen Wege fortzuschreiten.
Mit stiller Sehnsucht hing er an der Malerkunst, und er drang von neuem
in seinen Vater, ihn doch gehen zu lassen, wohin er von unwiderstehlicher
Neigung getrieben würde. Er selbst sagt in seinem von Wilibald Pirkheimer
aufbewahrten schriftlichen Nachlasse: „Da ich säuberlich arbeiten konnte,
trieb mich meine Lust mehr zur Malerei denn zu dem Goldschmiedewerke;
das hielt ich meinem Vater vor, aber er war nicht wohl zufrieden, denn
ihn reuete die verlorene Zeit, so ich mit Goldschmiedlern hatte zugebracht.
Dennoch ließ er's mir endlich nach."
Der alte Herr Dürer mochte wohl bedenken, daß gezwungenes Werk
nimmer gute Früchte trägt, und wählte zum Lehrmeister seines Sohnes den
Michael Wohlgemuth in Nürnberg, einen Künstler, der sich nicht allein im
Malen und Zeichnen, sondern auch im Holzschneiden und Kupferstechen,
sowie auch in der Formschneidekunst auszeichnete. Dieser nahm den jungen
Albrecht in die Lehre, und mit inniger Seelenfreude warf sich der für seine
Kunst glühende, hochbegeisterte Jüngling in seine Arme.
Binnen drei Jahren hatte Albrecht seinen Meister nicht nur erreicht,
sondern in schönem Stolze auf seinen wackeren Schüler gestand dieser selbst
ein, daß er von ihm übertroffen worden sei. Albrecht Dürer war der erste
Maler Nürnbergs geworden, und nebenbei hatte er noch im Zeichnen,
Kupferstechen und Formschneiden bedeutende Fortschritte gemacht. „In
meiner Lehrzeit, so schreibt er von sich selbst, gab mir Gott Fleiß, daß ich
wohl lernte, aber viel mußte ich von Wohlgemuths Schülern leiden."
Der Neid und die Mißgunst verfolgten ihn schon frühe, aber dafür belohnte
ihn auch die Liebe seines Lehrmeisters, an dem der Schüler hinwiederum mit
Lesebuch für höhere Lehranstalten. IV, 2. 4. Aufl. 15