- 226
ganzer Seele hing. Er malte seinen Meister Wohlgemuth verschiedene Male;
auf dem letzten Bildnis desselben brachte er die Inschrift an: „Das hat
albrecht Dürer abconterfet noch Seim Lermeister michel Wohlgemut jm
Jor 1515 vnd er was 82 Jor vnd hat gelebt pis das man zelet 1519
Jor do ist er ferschieden an sant andres Dag (den 30. Nov.) fri ee dy sun
awff gyng."
„Da ich ausgedient hatt', erzählt Dürer selbst in seinen Aufzeich¬
nungen, schickte mich mein Vater hinweg, und ich blieb ein Jahr außen,
bis daß mich mein Vater wieder forderte." So zog er im Jahre 1490
nach Ostern aus und kehrte 1494 nach Pfingsten wieder heim. 1492 war
er nach Kolmar gekommen, wo die Brüder des verstorbenen Malers Martin
Schongauer ihn ehrenvoll aufnahmen. Auch in Basel lebte ein Bruder
Schongauers, welchen Dürer ebenfalls besuchte.
Um diese Zeit war er ein ausnehmend schöner junger Mann, voller
Kraft und blühenden Liebreizes. Die Stirn war heiter, die Nase ein
wenig gebogen, der Hals nicht zu stark und ein wenig lang, sein dunkles
Haar rollte in schönen Locken über die Schultern, die Brust war breit und
der ganze Bau seines Körpers von dem vollkommensten Ebenmaß. Mehr
aber noch als seine äußere Schönheit nahm seine große Gutmütigkeit,
seine Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit für ihn ein. Wenn er aufge¬
fordert wurde, ein Urteil über ein nicht besonders gelungenes Werk eines
ftemden Künstlers zu fällen, so ergoß er sich nicht in bitterem, höhnischem
Tadel, sondern äußerte gewöhnlich nur, man sehe wohl, daß der Meister
sein möglichstes getan habe. Mit vollem Herzen aber lobte er, wenn er
irgend etwas Lobenswertes fand. Sein Mund floß dann über von Beifall
und Anerkennung, und man konnte wohl sehen, daß alle seine Worte aus
dem neidlosesten und liebevollsten Gemüte kamen. Auch mochte er nicht leiden,
wenn der Wert anderer durch Neid und Mißgunst geschmälert wurde.
Der alte Vater Dürer wünschte, daß sein Sohn sich verheiraten möge,
und schlug ihm zur Ehegattin die Tochter des berühmten Mechanikers Hans
Frey vor. Albrecht weigerte sich der Heirat nicht, denn Agnes schien ihm
eine gar liebliche und anmutige Jungstau; aber so schön ihre äußere
Gestalt war, so häßlich war ihre Seele. Sie war harten und nnbiegsamen
Sinnes, und ihr mürrisches, liebloses Wesen peinigte nun den armen Dürer
von früh bis spät. Das verbitterte ihm alles häusliche Glück und beugte
ihn tief danieder. Lebenslustig, wie er war, durfte er es dennoch kaum
wagen, sein Haus zu verlassen, um sich auf einige Stunden fröhlicher Ge¬
selligkeit hinzugeben; denn ehe er noch ausging, graute es ihm schon vor
der Heimkehr in sein Haus, wo er oft von seiner Frau mit Scheltworten
und Vorwürfen empfangen wurde. Nur in seinem stillen Arbeitsgemach,
im Heiligtum der Kunst, fand er Frieden und Ruhe. Hier, vor seiner