Full text: [2 = Ober-Tertia, [Schülerband]] (2 = Ober-Tertia, [Schülerband])

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ganzer Seele hing. Er malte seinen Meister Wohlgemuth verschiedene Male; 
auf dem letzten Bildnis desselben brachte er die Inschrift an: „Das hat 
albrecht Dürer abconterfet noch Seim Lermeister michel Wohlgemut jm 
Jor 1515 vnd er was 82 Jor vnd hat gelebt pis das man zelet 1519 
Jor do ist er ferschieden an sant andres Dag (den 30. Nov.) fri ee dy sun 
awff gyng." 
„Da ich ausgedient hatt', erzählt Dürer selbst in seinen Aufzeich¬ 
nungen, schickte mich mein Vater hinweg, und ich blieb ein Jahr außen, 
bis daß mich mein Vater wieder forderte." So zog er im Jahre 1490 
nach Ostern aus und kehrte 1494 nach Pfingsten wieder heim. 1492 war 
er nach Kolmar gekommen, wo die Brüder des verstorbenen Malers Martin 
Schongauer ihn ehrenvoll aufnahmen. Auch in Basel lebte ein Bruder 
Schongauers, welchen Dürer ebenfalls besuchte. 
Um diese Zeit war er ein ausnehmend schöner junger Mann, voller 
Kraft und blühenden Liebreizes. Die Stirn war heiter, die Nase ein 
wenig gebogen, der Hals nicht zu stark und ein wenig lang, sein dunkles 
Haar rollte in schönen Locken über die Schultern, die Brust war breit und 
der ganze Bau seines Körpers von dem vollkommensten Ebenmaß. Mehr 
aber noch als seine äußere Schönheit nahm seine große Gutmütigkeit, 
seine Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit für ihn ein. Wenn er aufge¬ 
fordert wurde, ein Urteil über ein nicht besonders gelungenes Werk eines 
ftemden Künstlers zu fällen, so ergoß er sich nicht in bitterem, höhnischem 
Tadel, sondern äußerte gewöhnlich nur, man sehe wohl, daß der Meister 
sein möglichstes getan habe. Mit vollem Herzen aber lobte er, wenn er 
irgend etwas Lobenswertes fand. Sein Mund floß dann über von Beifall 
und Anerkennung, und man konnte wohl sehen, daß alle seine Worte aus 
dem neidlosesten und liebevollsten Gemüte kamen. Auch mochte er nicht leiden, 
wenn der Wert anderer durch Neid und Mißgunst geschmälert wurde. 
Der alte Vater Dürer wünschte, daß sein Sohn sich verheiraten möge, 
und schlug ihm zur Ehegattin die Tochter des berühmten Mechanikers Hans 
Frey vor. Albrecht weigerte sich der Heirat nicht, denn Agnes schien ihm 
eine gar liebliche und anmutige Jungstau; aber so schön ihre äußere 
Gestalt war, so häßlich war ihre Seele. Sie war harten und nnbiegsamen 
Sinnes, und ihr mürrisches, liebloses Wesen peinigte nun den armen Dürer 
von früh bis spät. Das verbitterte ihm alles häusliche Glück und beugte 
ihn tief danieder. Lebenslustig, wie er war, durfte er es dennoch kaum 
wagen, sein Haus zu verlassen, um sich auf einige Stunden fröhlicher Ge¬ 
selligkeit hinzugeben; denn ehe er noch ausging, graute es ihm schon vor 
der Heimkehr in sein Haus, wo er oft von seiner Frau mit Scheltworten 
und Vorwürfen empfangen wurde. Nur in seinem stillen Arbeitsgemach, 
im Heiligtum der Kunst, fand er Frieden und Ruhe. Hier, vor seiner
	        
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