298
wie Saßnitz, werden fast täglich von besonderen kleinen Schiffen (sogenannten
Galeassen) der Ausfuhr halber besucht. Auch die unzähligen, oft sehr sonder¬
bar gestalteten Feuersteinknollen, die bei Gewinnung der Kreide beiseite
geworfen werden, finden ihre Verwertung in Glas- und Porzellanfabriken,
während die kleineren durchlöcherten Knollen als Senksteine zur Beschwerung
der Fischnetze dienen. So hat dieses eigentümliche Material im Laufe der
Zeit eine recht charakteristische Reihe von Verwendungen gefunden, als Beil,
Meißel, Hammer, Streitaxt oder Opfermeffer der sogenannten Steinzeit, als
Flintenstein und gewöhnlicher Feuerstein im Zunderkasten, als Senkblei für
Fischnetze und endlich als Kieselerde in chemischen Fabriken.
Zu den ursprünglichen Haupterwerbsquellen des Feldbaues und der
Fischerei ist in neuerer Zeit noch ganz besonders auch die Beherbergung
und Beförderung der zahlreichen Vergnügungsreisenden und Sommergäste
hinzugekommen. Wo nur einigermaßen die Örtlichkeit dafür geeignet war,
hat man an den Küsten Badeanstalten angelegt, die sich auch schon seit einer
Reihe von Jahren eines starken Besuches erfreuen, obwohl die Ostsee nur
einen verhältnismäßig geringen Salzgehalt hat und kaum Ebbe und Flut
zeigt. Der dicht am Steilufer besonders günstig zwischen Wald und See
gelegene und deshalb besuchteste unter den rügenschen Badeorten ist Saßnitz,
das wie das anstoßende Crampas seit einem Menschenalter aus einem un¬
scheinbaren Fischerdorfe sich zu einem reizenden, gern aufgesuchten Kurorte
entwickelt hat, mit stattlichen Gasthöfen, herrlichen Villen und freundlichen
Wohnhäusern.
Was ist es nun, das in unsern Tagen, wo die Eisenbahnen schnell
und leicht die Wanderlustigen genußreicheren Gegenden zuführen können, die
Insel Rügen für so viele deutsche Ohren einen eigentümlich zauberischen
Klang gewinnen läßt und jährlich Tausende von Reisenden an ihre Gestade
lockt? Es ist die Wahrnehmung einer frei und ursprünglich schaffenden
Natur und einer bestimmten Volkseigenart, die hier den Fremden entgegen¬
tritt. Auch die, welche in der Ferne bereits den Anblick schöner Gegenden
und eines eigenartigen Volkslebens genossen haben, werden hier noch Über¬
raschung und Freude empfinden. Die inneren Gebiete der Insel bieten eine
Fülle herrlichster Eindrücke: üppige Staaten, liebliche Wiesengründe, duftige
Haine und prächtige Buchenwälder, den ganzen Reichtum einer frischen und
fröhlichen Pflanzenwelt in bunter Abwechselung. Dazwischen liegen geschmack¬
volle und heitere Schlösser, Gehöfte, Jagd- und Forsthäuser in behaglicher
und friedlicher Ruhe zerstreut umher. Der Park von Putbus darf als eine
der schönsten Schöpfungen der Gartenkunst bezeichnet werden, bezaubernd
durch das scheinbar regellose und doch so harmonische Durcheinander der
verschiedensten Baumcharaktere. Eine erfrischende Luft, vermischt mit dem Duft
der Lindenblüten, durchzieht diese prachtvollen Alleen und Gehölze, und selbst