Full text: (Viertes und fünftes Schuljahr) (Teil 2 für Kl. 6 u. 5)

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Zeit der Heuernte spinnfähig wird, haben sich bereits die Knospen 
zur Blüte entfaltet. Die heiße Sonne brennt dann das Räupchen 
bald zu Tode, da es ihm an Schutz fehlt. Verpuppt sich aber der 
Heuwurm, so entsteht daraus noch in demselben Jahre ein kleiner 
Schmetterling, der wieder Eier legt. Aus diesen werden abermals 
Räupchen, die sich das Mark der jungen Trauben und die noch 
weichen Kerne gut schmecken lassen. Eine so angefressene Beere 
bleibt im Wachstum zurück, wird nicht reif und schmeckt daher 
sauer. Aus diesem Grunde heißt das zweite Geschlecht dieses sehr 
schädlichen Insekts auch Sauerwurm. 
So hat der Winzer das ganze Jahr hindurch viel und beschwerliche 
Arbeit, und mancher Herbst bringt ihm keine oder nur geringe 
Ernte. Doch das hindert ihn nicht, unausgesetzt seine Weinberge 
mit Fleiß und Sorgfalt zu bearbeiten. Ein „voller Herbst" ent¬ 
schädigt ihn auf manche Jahre, und gar fröhlich geht es dann bei 
der Weinlese zu. Sie dauert von Mitte Oktober bis Ende November. 
Sobald im Nachsommer die Trauben genießbar werden, schließt 
die Ortspolizei die Weinberge, das heißt, das Betreten der Wein¬ 
berge darf nur mit besonderer Erlaubnis erfolgen. Inzwischen werden 
Bütten, Fässer und Keltern zurechtgemacht, und von der Bürger¬ 
meisterei wird der Beginn der Lese festgesetzt; denn dem einzelnen 
ist es nicht gestattet, seine Lese zu beginnen, wann er will. Bei 
gutem Wetter wartet man so lange, als es nur möglich ist, denn 
jeder warme Herbsttag macht die Trauben reifer und edler. 
Gar lustig geht es bei der Lese zu. Die Schulkinder bekommen 
Ferien und helfen gerne mit. Der Aufseher ermuntert die Leser, 
bei ihrer Arbeit recht fleißig zu singen, und bald ertönt es: „Nur 
am Rhein, da möcht’ ich leben, nur am Rhein geboren sein, wo die 
Berge tragen Reben und die Reben goldnen Wein", oder wie die 
vielen Rheinlieder alle heißen. Den Burschen und Männern schenkt 
man Pfeifen und Tabak, denn durch das Singen und Tabakrauchen 
sucht man zu verhindern, daß allzu viele edle Trauben statt in 
die kleinen Lesebüttchen in den Mund der Leser ihren Weg finden. 
Jeder Leser nimmt eine Reihe der Reben vor, untersucht Stock 
für Stock, schneidet mit einer kleinen Schere die Trauben ab und 
achtet darauf, daß er „sauber liest", das heißt keine Trauben hängen 
läßt. Er entfernt schlechte Beeren und legt die Trauben in ein kleines
	        
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