Full text: [Abtheilung 2 = (Quarta, Tertia), [Schülerband]] (Abtheilung 2 = (Quarta, Tertia), [Schülerband])

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vom Ufer entfernt war, daß Polyphem noch seine Stinme vernehmen 
konnte, rief er laut: „Grausamer Cyklop, nicht ungestraft hast du 
mir die Gefährten getödtet und zu scheußlichem Mahle sie bereitet, 
du, der du das Gastrecht so schändlich verletzt hast.“ Voll Ingrimms 
hob der gewaltige Riese, da er die wohlbekannte Stimme vernahm, 
einen mächtigen Felsblock und schleuderte ihn gegen das Schiff; aber 
der Stein fiel hinter dem Schiffe nieder und trieb es nur gegen 
das Ufer. Schnell ergriff Odysseus die Ruderstange und stieß das 
Fahrzeug wieder ab. Dann rief er nochmals zu dem Cyklopen 
hinüber: „So jemand dich fragt, wer dich deines Auges beraubt hat, 
so sage ihm, daß Odysseus es gethan.“ „Weh mir!“ rief Polyphem. 
„Sont es denn wahr, was einst ein Seher mir verkündet hat, daß 
ein Odysseus mich blenden würde! Aber ich dachte, das sei ein 
Mann, stark und kernig wie ich. Nun muß so ein armseliger Wicht, 
so ein Elender des Auges mich berauben, nachdem er durch Wein 
mich betäubt hat.“ Dann hob er seine Hände zum Himmel empor, 
flehend zum Poseidon, daß er ihn räche an Odysseus und diesem 
es wehre, jemals zu schauen seine Heimat und die väterlichen Gefilde. 
62. Odysseuns und Penelope. 
Die Freier waren todt, das Werk der Rache war geendigt. Da 
eilte Curykleia, die Amme des Odysseus, empor zum Söller, um 
der geliebten Herrin endlich die frohe Botschaft zu verkünden. Sie 
trat vor Penelopes Lager, und die Schlummernde weckend sprach sie 
„Erhebe dich, Kind! Endlich ist dir vergönnt zu schauen, was du 
so lange ersehnt hast. Odysseus ist heimgekehrt, Odysseus, dein 
Gatte, um den wir alle im Herzen uns härmten! Die trotzigen 
Freier liegen von seiner rächenden Hand erschlagen!“ Penelope aber 
schaute sie verwundert an und sprach: „Du redest Thörichtes, Alte. 
Was weckest du mit lügenhaften Märchen mich aus dem süßesten 
Schlummer? Schelten sollte ich dich, wenn nicht dein Alter dich 
schützte. „So zürne doch nicht so heftig, mein Kind!“ entgegnete 
die Amme; „es ist, wie ich sage. Der Fremdling ist es, der Bettler, 
dessen alle im Saale spotteken. Dein Sohn Telemach wußte es 
längst; auch mir offenbarten es die Götter; dir aber sollte es ver⸗ 
borgen bleiben, bis die Rache an den Freiern vollzogen war.“ Da 
sprang Penelope von ihrem Lager auf, schmiegte sich an die Alte und
	        
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