Full text: [Teil 5 = Obertertia, [Schülerband]] (Teil 5 = Obertertia, [Schülerband])

26 
Portionen waren klein. Da niemand sonst essen konnte, hatte ich die Sülle 
zur Sättigung und konnte Vorrat von Zwieback sammeln, so daß ich wirk¬ 
lich eine ganze große Nachtmütze voll hatte. Bald kam einer und forderte 
seine Portion, dann der andere, dann der dritte, und so fort' in kurzer 
Zeit war ich auf meinen eigenen kleinen Knteil gesetzt. Die Genesenden 
waren durch die Krankheit und das Lasten gehörig auf die beschränkte 
Portion vorbereitet, die Gesunden hingegen hatten einen sehr unange¬ 
nehmen junger gewonnen. Bald war mein kleiner Vorrat aufgezehrt, und 
mein Magen war bei der ganzen Portion zu einem sehr unbehaglichen 
Halbfasten gezwungen, hier sorgte denn zufällig die Muse für ihren 
Zögling. 
Ich saß auf dem Deck und las eben eine Ode horazens, als der dicke 
Steuermann mich sehr unfreundlich von der Bank schleudern wollte. Ich 
brummte meine Unzufriedenheit in meinem bißchen Englisch, so gut ich 
konnte, und wollte mich hinunter in meinen Kasten schleichen, wo ich mich 
von niemand hudeln ließ. Der Kapitän kam dazu, guckte mir in das Buch, 
hieß mich sitzen bleiben und fing eine englische Unterhaltung mit mir an: 
„Du liesest Latein, mein Sohn?" — „Ja, Herr!" — „Und verstehst es?" 
— „Ich glaube." — „Sehr gut: das ist eine sehr gute Zerstreuung in deiner 
Lage." — „Das finde ich auch, mein Herr! Cs ist in der Tat ein großer 
Trost für mich." So ging es denn freundlich und teilnehmend weiter. 
Cr nahm mich mit in seine Kajüte und zeigte mir seine Keisebibliothe'k, 
die aus guten Engländern und einigen Klassikern bestand, und versprach 
mir, wenn ich die Bücher gut halten würde, mir zuweilen eines daraus zu 
leihen. Durch seine Freundschaft erhielt ich etwas mehr Freiheit auf dem 
Schiffe, zumal da ich etwas Vergnügen am Seewesen zeigte, in wenigen 
Tagen mir die Bezeichnung der Taue und Segel merkte und sehr flink 
und sicher oben in dem Mastwerke mit herumlief. L§ war wieder das 
Bedürfnis der Tätigkeit, die mir allerhand kleine Vorteile schaffte und 
mich vorzüglich gesund erhielt. Da der Kapitän wohl merkte, daß die 
Schiffsportion meinem Niesenhunger nicht zureichend war, ließ er mir gro߬ 
mütig zuweilen eine Nachtmütze voll Zwieback und Nindfleisch heimlich zu¬ 
kommen, welches in der Tat im eigentlichsten verstände ein sehr wohl¬ 
tätiges Stipendium war. 
Die Kost war übrigens nicht sehr fein, so wie sie nicht sehr reichlich 
war. heute Speck und Erbsen und morgen Erbsen und Speck: das war 
fast die ganze Kunde. Zuweilen Grütze und Graupen und zum Schmause 
Pudding, den wir aus muffigem Mehl, halb mit Seewasser, halb mit 
süßem Wasser und altem Schöpsenfett machen mußten. Der Speck mochte 
wohl vier oder fünf Jahre alt sein, war von beiden Seiten am Kunde 
schwarzstreifig, weiter hinein gelb und hatte nur in der Mitte noch einen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.