Full text: [Teil 5 = Obertertia, [Schülerband]] (Teil 5 = Obertertia, [Schülerband])

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in den Mastkorb, mich umzusehen. Indem ich dabei meine Blicke zufällig 
nach unten richtete, nahm ich wahr, daß mein ganzes Volk, der Bootsmann 
und der Koch an der Spitze, wie verabredet in einer Beihe und jeder seinen 
Teekessel in der Hand, von hinten nach der vorderen Luke zuschritten, um 
sich im Baume mit frischem Wasser zu versehen. Dies sehen und mich am 
nächsten besten Tau an den Händen hinunterlassen, war das Werk eines 
Augenblicks. Glücklich gelangte ich so aufs verdeck, bevor sie noch die Luke 
erreichten, und mit fester Stimme rief ich: „was ist das? was soll das?" 
indem ich zugleich dem Bootsmanne wie dem Boche den Teekessel aus den 
Händen riß und weit hinaus über Bord ins Meer schleuderte. 
hui, das hieß in ein Wespennest gestochen! Oie Berle schlossen einen 
dichten Breis um mich her und schrien wie unsinnig: „Schlagt zu! Schlagt 
zu!" — Doch keiner hatte das herz, der erste zu sein. Diese bemerkte Un¬ 
schlüssigkeit gab mir Zeit und Baum, mit der größten Behendigkeit mich 
durch sie hindurchzuwinden und mit starken Schritten nach meiner Bajüte 
zu eilen, wiewohl alsobald auch der Helle Haufen mit einem fürchterlichen: 
„halt auf! Schlag zu! halt fest !" mich auf dem Zuße dahin verfolgte. Doch 
gelang mir's, die Bajütentür hinter mir zuzuschlagen und den Biege! von 
innen vorzuschieben. 
In der Tat war nun meine Lage bedenklich genug, und ich durfte von 
den erhitzten Meuterern leicht das Brgste erwarten,' mein Leben sowohl als 
die Erhaltung des Schiffes standen hier auf dem Spiele. Sinnend und in 
stürmischer Erregung ging ich in der Bajüte mit großen Schritten auf und 
nieder, um über irgend eine durchgreifende Maßregel zu meiner Bettung 
mit mir einig zu werden. Ich erinnerte mich endlich, daß ich früher einmal 
in Hamburg einen Bbdruck des dort geltenden Schiffs- und Seerechts gekauft 
und bei mir an Bord hatte, sowie daß ich dasselbe damals zum öfteren durch¬ 
blättert und mir mehrere Punkte angestrichen hatte, worüber Volk und 
Schiffer am leichtesten und gewöhnlichsten miteinander zu zerfallen pflegen, 
falls ich irgend einmal in einen ähnlichen Zwist geraten sollte. 
Ungesäumt holte ich dies Buch aus seinem Winkel hervor, schlug den 
gesuchten Brtikel nach und fand folgendes verzeichnet: „Einem Schiffer steht 
frei, seine Leute zu züchtigen, und es darf keine Gegenwehr geschehen. Sollte 
dagegen ein Schiffsmann sich unterstehen, seinen Schiffer zu schlagen oder 
sonst zu mißhandeln, so wartet seiner der Galgen, nach Hamburger Becht. — 
Ebenso nach englischem und holländischem Seerecht. — Bach dänischen und 
schwedischen Gesetzen wird der Verbrecher mit der Hand an den Galgen 
genagelt, um sechs Stunden daran zu stehen, bis ihm das Messer, womit er 
angenagelt ist, wieder herausgezogen worden. — Bach preußischem See¬ 
recht wird er sechs Monate in Eisen an die Barre geschmiedet." 
Ich zeichnete nunmehr diese Gesetzstelle, legte das Titelblatt mit den
	        
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