Full text: [Obertertia, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband])

er und sein Minister dem Fühlen gerade der Besten waren, das hat ttctcf) 
Wilhelms Tode Rudolf von Jhering im Sinne vieler klassisch ausgedrückt. 
Er gedenkt des allgemeinen Niederganges der Monarchien um die Mitte 
des Jahrhunderts. „Nie hätte ich damals geglaubt, daß ich noch einmal die 
tiefste Verehrung und innigste Liebe für ein gekröntes Haupt empfinden und 
der begeistertste Anhänger der Monarchie werden würde. Diesen Um¬ 
schwung, den -gewaltigsten meines ganzen Lebens, verdanke ich Kaiser Wil¬ 
helm. Seine historische Bedeutung reicht so in meinen Augen über das, 
was er Deutschland geworden ist, weit hinaus." Der Kaiser erntete die 
Früchte, die er in Mühen gepfimtgt, erst jetzt in ihrem ganzen Reichtum au 
Macht wie an Liebe; das ganz Persönliche an ihm entfaltete erst jetzt, da die 
Kräfte des Greises langsam sanken, seine volle Wirkung über die Nation. 
Wie warb er, wenn ihn einmal die Herbstmanöver tu ein ehedem lange 
widerstrebendes Bundesland führten, durch seht Erscheinen unwiderstehlich 
für das Reich! Mit einem Vertrauen, das etwas Selbstverständliches hatte, 
nahmen die Deutschen die glückliche Stetigkeit, die sichere Weltstellung, den 
nationalen Glanz hin, deren Träger er war. Niemand überschätzte ihn 
wohl, jeder schätzte ihn und fühlte sich ihm nahe. Die deutsche Arbeit, der 
. deutsche Wohlstand hatten weiter! Boderr und sichern Schutz gefunden, da¬ 
heim rrud irr der Welt; sie erhoberr sich irr bett 80er Jahren zrr stolzen Er¬ 
folgen. Der Wolken standen freilich genug am Himmel; aber zwischen derr 
wegbahnenden harten Kämpfen der früherer:, der rastlosen Unsicherheit der 
nachfolgenden Epoche erscheinen auch diese letzten Jahre Wilhelms I., wie 
dereinst die stillen Zeiterr rrach derr: Freiheitskriege, in ihrem Gleichgewichte, 
ihrer ruhigen Kraft und reichen Fülle dem rückschauenderr Blick als Tage des 
Glücks: trotz aller Verschiedenheiten halkyorrische Tage auch sie. 
Glücklich ist Wilhelnr selber wohl damals geweserr. Er eirrpfarrd nicht 
nur, wie der Lohrr seiner Saaten reiste; er konnte, vornehmlich von 
Herzen billigen, was jetzt geschah, der Druck der liberalen Ära war seinem 
Bewußtsein und seinem Gewissen abgenommen. In freudiger Einheit klang 
sein hohes Alter mit seiner frühen Manneszeit zusammen; er sah sein eigenstes 
Werk in dieser Gegenwart wieder siegreich vorwalten. Und auch seine Kirche 
war wieder in den Wegen, die er für sie ersehnt hatte. Aus dem geistlichen 
Boden ist wohl die einzige stärkere Verschiebung seiner Gesinnungen vor 
sich gegangen: sein Glaube mochte sich nicht eigentlich verwandelt haben, 
aber schärfer, ja schroffer kirchlich war er geworden. Bigott wurde der 
Kaiser nicht; gehalten und harmonisch blieb sein Leben bis zuletzt. Am 
schönsten harmonisch in dem Verhältnisse, das nun so lange schon das wich- 
tigste seines Daseins war: zu Bismarck. 
Seit 1877 hat Bismarck, soweit wir urteilen können, nie wieder ganz 
ernstlich um seiire Entlassung nachgesucht. Er hat im August 1878, nach den 
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