Bender: Das römische Haus.
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Tisch; die Cisterne ist nicht mehr so notwendig, weil das Trinkwasser
aus den öffentlichen Wasserleitungen bezogen wird. In dem auf diese
Weise erweiterten Hause bildet die neue Anlage, die hintere Hälfte,
das Peristpl, den abgeschlossenen, reservierten Raum. Hier wohnt
die Herrschaft für sich und mit ihren Gästen. Das Atrium ist jetzt
zur Vorhalle geworden, wo namentlich auch die Klienten empfangen
werden und auf das Erscheinen des Herrn, des Patrons, zu warten
haben. Zugleich aber greift der Komfort und Luxus der Einrichtung,
der Mosaikboden, die Wandmalerei Platz im alten wie im neuen
Teil des Hauses. Je mächtiger und reicher die Nobilität wurde, mit
desto größerem Stolz wurden die Wachsmasken der Ahnen in den
neben dem Atrium befindlichen Räumen aufgestellt, wohl auch die
Staatsmänner und Triumphatoren, welche der Familie Glanz und
Reichtum verschafft hatten, in ganzer Figur an die Wände gemalt.
Es ist nun diese erweiterte Gestalt des Hauses, welche uns regel¬
mäßig in Pompeji begegnet; sie ist es auch, welche wir für die aus¬
gedehnten Paläste anzunehmen haben. Von dem Palastbau, welcher
lediglich für die vornehme Herrschaft und ihr Gesinde bestimmt war,
sind dann die großen Mietkasernen, die insulas (Inseln), zu unter¬
scheiden, welche nicht bloß in horizontaler Richtung, sondern auch
nach oben bis zu sieben und mehr Stockwerken erweitert wurden
und darauf eingerichtet waren, möglichst viele Insassen aufzu¬
nehmen.
An der Vorderseite des Hauses, rechts und links vom Vestibulum,
waren jetzt Läden eingerichtet, welche vom Hausbesitzer an Kauf- und
Gewerbsleute vermietet wurden. Diese Läden waren gegen die Straße
offen, wie denn auch heutzutage vielfach das Kleingewerbe in den
italienischen Städten eigentlich im Freien sein Wesen hat; nachts
wurden sie durch eine Reihe ineinander geschobener Bretter verwahrt.
Die Hausthür selbst wurde bei Tage nicht geschlossen; zur Hütung
des Eingangs diente der Janitor, der Sklaven-Portier, welcher für
beit Notfall mit einem Stock bewaffnet war und wohl auch einen
Hund, einen lebendigen oder einen gemalten, bei sich hatte, unter
welchem dann oft die Inschrift stand: Cave canem, Achtung vor dem
Hund! In Ermangelung eines Thürhüters, welcher in den älteren
Zeiten natürlich überall fehlte, klopfte man an die Thüre, um nicht
unvermutet einzutreten. Hermann Bender.