Heinrich Voß der Jüngere an Christian Niemeyer.
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in die Felsensteine geträumt. Auch die leblose Natur ist von der Glut
seiner Liebe durchdrungen. Deutschland bejammerte den Mann, und
wenige haben ihn gesehen, noch wenigere gekannt. Es würde des
Grams kein Ende gewesen sein, wenn ihn seine Verehrer persönlich
gekannt hätten und, statt durch seine Gedichte mittelbar, durch sein
Herz unmittelbar wären begeistert worden.
Habe ich nicht recht gethan, daß ich meinen: I. . . den Othello
dediciere? Er war es, der mir zuerst Liebe für Schiller einflößte:
denn I... war sein Zuhörer gewesen. „An dem Manne ist alles
liebenswürdig; selbst sein Schnupftabaksfleckchen unter der Nase kleidet
ihn hold," pflegte I . . . zu sagen. Und es ist wahr, Schiller hatte
vom beständigen Schnupftabaksgebrauch eiu solches perpetuierliches
Fleckchen. — Es ist Abend geworden, herzlieber Freund, und wie ich
in der Dämmerung in meinen: Zimmer auf- und abgehe, fällt mir
noch so manches ein, was ich nicht umhin kann, Dir mitzuteilen. Du
Guter, wirst wohl ebensowenig müde, von Schiller was zu hören, als
ich, von ihn: zu erzählen.
Am Morgen des letzten Neujahrstages, den Schiller erlebte,
schreibt Goethe ihm ein Gratulationsbillet. Als er es aber durchlieft,
findet er, daß er darin unwillkürlich geschrieben hatte: „der letzte
Neujahrstag", statt „erneute" oder „wiedergekehrte" oder dergleichen.
Voll Schrecken zerreißt er's und beginnt ein neues. Als er an die
ominöse Zeile ko:nmt, kann er sich wiederum nur mit Mühe zurück¬
halten, etwas von: „letzten" Neujahrstage zu schreiben. So drängte
ihn die Ahnung! — — Denselben Tag besucht er die Frau voi:
Stein, erzählt ihr, was ihm begegnet sei, und äußert, es ahne ihm,
daß entweder er oder Schiller in diesem Jahre scheiden werde. Und
:vie wahr er geahnet, hat die traurige Erfahrung bewährt! — Wenige
Wochen nachher lagen beide krank danieder und konnten sich weder
sehen noch schreiben. Schiller war der erste, der sich erholte, und
kaum konnte er wieder ausgehen, so besuchte er seinen lieben Goethe,
nachdem er sich durch :uich hatte aniuelden lassen. Ich war bei diesem
Wiedersehen zugegen, und es rührt mich noch jedesmal, wenn ich
daran denke. Sie fielen sich um den Hals und küßten sich in einen:
langen, herzlichen Kusse, ehe einer von ihnen ein Wort hervorbrachte.
Keiner voi: ihnen erwähnte weder seiner, noch des andern Krankheit,
sondern beide genossen der ungemischten Freude, wieder mit heiterem
Geiste vereint zu sein.
Ji: der letzten Krankheit Schillers war Goethe ungemein nieder¬