Full text: [Teil 4 = Siebentes (und achtes) Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 4 = Siebentes (und achtes) Schuljahr, [Schülerband])

Robert Schumann an seine Mutter. 
367 
Den Morgen nach Schillers Tode schien der Jammer recht 
bei den Einwohnern Weimars eingekehrt. So wie das Unglück alle 
Menschen, die von ihm getroffen sind, verbrüdert, so teilten sich un¬ 
bekannte Menschen, die sich begegneten, ihren Schmerz durch Gruß 
und Mienen mit. Es war, als ob wir alle einen gemeinschaftlichen 
Vater verloren hätten. Keiner hatte in seinem Hause Ruhe. Wir 
irrten alle auf den Straßen und im Parke umher. — Solange als 
Baldur, der Gott der Güte, unter den nordischen Göttern weilte, 
war Friede und ein einiges Band unter ihnen; kaum aber war der 
vom Genius der Geschicke hinweggerafft, so zerfiel der Götterkreis, 
die Einigkeit schwand, und es herrschte Angst, Trauer und Verzweiflung. 
Wohl denen, die in der Erinnerung einen lindernden Balsam für 
ihre Wunden finden können! In der Erinnerung wird jede Kleinigkeit, 
die einen geliebten Gegenstand betrifft, bedeutend. Alles reiht sich an 
einen durchgehenden Faden an, und um das vollständig gesammelte 
Bild schöner Anschauungen zieht sich ein Heiligenschein. Täglich 
sprechen wir vorn Verewigten im Schillerschen Hause. Jede Kleinig¬ 
keit wird wiederholt und von neuem erzählt. Mir ist, als beträte ich 
einen Tempel, so oft ich in das Schillersche Haus gehe; und wird 
nicht ein Tempel erst durch heilige Gesinnungen, die man mitbringt? 
93. Robert Schumann an seine Mutter. 
Leipzig, am 8. August 1831. 
„Vergiß mich nicht ganz," waren Deine Worte beim letzten Ab¬ 
schied, meine gute Mutter! Acht Wochen sind seitdem vergangen, 
und Du hast wohl Ursache, Deine letzten Worte jetzt in einem Sinn 
auszulegen, der mich erröten machen könnte. Wenn ich Dir sagen 
wollte, ich hätte vor lauter Arbeit und Fleiß kaum gewußt, was ich 
mit der Zeit anfangen sollte, so würdest Du's schwerlich glauben — 
und doch ist's so, — wenn ich Dir aber sage: Nimm's nicht böse — 
ich habe gefehlt — so drückst Du mir vielleicht wieder die Hand so 
herzlich, wie sonst, wenn ich kam und gefehlt hatte. 
Nun ist aber heute der Himmel so schön blau, daß ich so recht 
eigentlich jemanden haben möchte, dem ich's sagen könnte, wie glück¬ 
lich und sommerlich es in mir aussieht, wie mein inneres, ruhiges 
Kuustleben alle Leidenschaften zurückdrängt, wie ich mich oft minuten¬ 
lang auf der Spitze eines Ideals für die Zukunft drehen kann, mit 
einen: Worte, wie ich manchmal recht den Augenblick der Gegenwart
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.