368 VI. Aus der deutschen Litteratur; Briefe.
fühle. Wem könnt' ich's aber so sagen, wie Dir, die Dumich sonst
immer richtig schätztest, oft fast zu gut, meinen Fehlern nachsahst oder
vorbeugtest und meinem Herzen vertrautest, wenn der Kopf durchaus
schief gehen wollte? — Es ist nämlich eine schöne Sache mit einem
jungen Dichter und vollends mit einem jungen Komponisten. Du
kannst kaum glauben, was das für ein Gefühl ist, wenn er sich sagen
kann: Dies Werk ist ganz dein, kein Meitsch nimmt dir dies Eigen¬
tum und kann dir's nicht nehmen, denn es ist ganz dein; o fühltest
Du dieses „Ganz". Da der Grund zu diesen! Gefühl nur selten
kommt, da der Genius nur ein Augenblick ist, so bricht es dann auch
in seiner ganzen Schönheit hervor und erzeugt eine Art von beruhigen¬
dem Selbstvertrauen, das keinen Tadler zu fürchten braucht. In der
ganzen Zeit meines Schweigens gegen Dich überfiel mich dieses oft
wie ein Traum, aus dein ich nicht gern erwachen wollte; dann war
aber alles um mich sehr edel und die Welt reich und glänzend. Ist
man endlich eins, ruhig mit und in sich, so lösen sich die Begriffe
von Ruhm, Lob, Unsterblichkeit rc., von denen man gern träumt,
ohne etwas zu ihrer Erreichung zu thun, in milde Regeln auf, die
man der Zeit, dem Leben und der Erfahrung ablauschen muß. Um
etwas Großes, Ruhigschönes zu Tage zu fördern, muß inan der Zeit
nur Sandkörner abstehlen; das Ganze, Vollendete kommt nicht auf
einmal: viel weniger schneit es der Himmel herunter. Daß nun
nianchmal Augenblicke kommen, in denen nian zurückzuschreiten glaubt,
während dies letzte oft nur ein mehr oder weniger schwankendes Fort¬
schreiten ist, liegt in der Natur. Läßt inan diese vorübergehen und
greift dann wieder rasch und mutig an, so geht's wieder frisch fort.
Dies ist in kurzem, meine geliebte Mutter, die Lebensgeschichte
der acht Wochen, in denen Du mich vielleicht für verloren glaubtest,
während ich oft im stillen und zu jeder Tageszeit an Dich dachte
und Deiner späteren Freude mich freute.
Auch mein Privatleben hat sich anders gestaltet; man erkennt
hier und da mein Talent an, verspricht sich etwas von der Zukunft,
und wer mich kennt, ist auch gern bei mir, wie es scheint. Eine
gewisse Schüchternheit vor der Welt kann ich nicht ganz verbergen;
und es hätte wenig zu bedeuten, wenn ich manchmal gröber wäre.
Der häufigere Unigang mit Wieck hat eine gute Veränderung in
mir hervorgebracht; er scheint jetzt so teilnehmend gegen nüch, wie
ich früher nie glaubte, giebt nach und zankt, wo er es für gut hält,
— und muntert und regt mich inuner an. Es wäre mir lieb, wenn