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des Belustempels und die Docks und Kanalbauten des unteren Euphratgebiets
beschäftigten Alexander zugleich mit den nahebevorstehenden Expeditionen, von
denen die Umschiffung Arabiens die wichtigste war. Die Führer der Re¬
kognoszierungsschiffe hatten ihren Bericht erstattet: täglich sah man das Ge¬
schwader unter dem Zulauf der Bevölkerung von Babylon seine Übungen
vornehmen und Nearchos, der zum Nauarchen desselben ernannt war, er¬
wartete den Befehl zur Abfahrt. Die Opfer, welche jede ähnliche Unter¬
nehmung einleiteten, wurden dargebracht, auch den unheilabwendenden
Göttern vergaß man nicht zu opfern. Der König gab dem Nearchos noch ein
Abschiedsmahl, und folgte dann spät am Abend noch einer Einladung des
Thessaliers Medios zu einem jener Trinkgelage nach altgriechischer Sitte,
bei welcher die soldatische Unterhaltung sich frei erging und bis zur späten
9cacht oder zuin frühen Morgen fortgesetzt wurde. Auch den Abend des fol¬
genden Tages brachte Alexander bei dem Thessalier zu: wieder blieb man
längere Zeit bei den Bechern: da befiel den König ein Unwohlsein — während
er den Becher zum Munde führte, sagte ein Bericht, habe er plötzlich aufge¬
seufzt, wie wenn ein Pfeil oder Speerwurf ihn getroffen hätte. Am folgenden
Tage — es war der 1. Juni 323 — erwachte er fieberkrank. Es schien nicht von
Bedeutung und der König ließ den geregelten Gang seiner Geschäfte nicht
unterbrechen: er opferte, badete, gab Audienzen und Befehle wie sonst und
bei seiner außergewöhnlich kräftigen Natur schien nichts zu besorgen. Aber
die Kraft des Fiebers nahm zu; die Sache wurde ernst: und hier endlich gibt
uns die geschichtliche Überlieferung, die uns bei den wichtigsten Regierungs¬
handlungen Alexanders im Stiche läßt, Nachrichten bou urkundlicher Verbür¬
gung. Mit peinlicher Spannung folgt man nach den Mitteilungen des Hof¬
journals, der „königlichen Ephemeriden" dem Gange der verhängnisvollen
Krankheit: wie der König noch die Abfahrt der Expedition auf den vierten
und fünften Tag von da anordnete und mit den Befehlshabern das Einzelne
besprach — wie er weder diese Anordnungen noch die gewohnten Opfer aus¬
setzte, ungeachtet er schon ohne Ruhe finden zu können unstät sich von einem
Orte zum anderen tragen ließ und die Nächte durch im Fieber lag — bis
er endlich am siebenten Tage der Erkrankung das Opfer einstellen und die Audi¬
enzen aussetzen mußte. Er ward von dem Park nach dem Schlosse gebracht:
die Sprache verlor sich: die Offiziere, welche vorgelassen wurden, sahen wohl,
daß er sie erkannt, aber er war unfähig zu sprechen. Nun erst verbreitete sich
die Erkenntnis von der ungeheuren Gefahr, in welcher die Welt schwebte: das
unersetzliche Leben war in der Tat bedroht: eine Anzahl der höchsten Würden¬
träger legte sich im Tempel des Serapis schlafen und befragte den Heilgott,
ob man den König vielleicht nach seinem Heiligtum bringen solle. Der Gott
verneinte: es werde dem König besser werden, wenn er bleibe, wo er sei. Mit
steigender Gewalt zehrte nun das Fieber Tag und Nacht an den Kräften
des Königs: die Soldaten begehrten ihn zu sehen und man mußte ihnen den
Wunsch gewähren: er blieb sprachlos, aber scheint noch bei Bewußtsein gewesen